Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
lächerlichen Hunger danach, Leben auszulöschen, nicht mal für ein paar Tage im Zaum halten. Er wusste, dass sie jetzt in Schwierigkeiten steckten.
Die Zimmertür wurde geöffnet.
„Vater?“
„Oh, der blinde Knecht. Willst du sehen, was dein Daddy mit echten Menschen ausheckt? Ich wette, er bereut den Tag, an dem du in diese Welt geworfen wurdest.“
Der Schneewittchenmörder kicherte, aber die Frau richtete sich verärgert auf. „Hey. Das ist mein Bruder, mit dem du da redest. Wage es ja nicht, so mit ihm zu sprechen. Hast du mich verstanden?“
„Sonst passiert was, Prinzessin?“
Sie ignorierte ihn und ging zu der deformierten Kreatur hinüber, die sie Bruder nannte. „Er meint es nicht so, er weiß es einfach nicht besser. Er ist ein Wüstling, Joshua. Komm, wir holen dir was zu trinken, ja?“ Gemeinsam verließen sie den Raum, und ihr Vater seufzte.
„Seit dem Augenblick, wo dieser Junge von der Schlampe ausgespuckt wurde, die sie ihre Mutter nennt, liebt sie ihn abgöttisch. Ich glaube nicht, dass Charlotte sich an ihre Mutter erinnert. Sie ist bei der Geburt von Joshua gestorben. Sie legten ihn ihr auf die Brust, und im selben Moment war sie weg. Als wenn sie den Anblick dessen, was sie da erschaffen hatte, nicht ertragen konnte.“
„Das ist eine Krankheit, alter Mann. Genauso wie du eine hast, nur dass seine sein Gesicht verkrüppelt und nicht die Seele.“
„Ach, sind wir heute nicht ein kleiner Philosoph? Vor einem Moment hast du ihn noch beleidigt. Woher kommt der Sinneswandel?“
„Das ist kein Sinneswandel. Ich habe kein Mitgefühl, das weißt du. Aber ich bewundere deine geschätzte Tochter für ihre Loyalität. Und jetzt genug davon. Ich bin müde. Ich hatte einen langen Tag und werde mich jetzt hinlegen.“
„Lass die Finger von dem Mädchen!“
Er verließ den Raum, und der Schneewittchenmörder ließ sich in seinen Stuhl sacken. Er hätte nicht zuhören sollen. Hätte nicht zulassen dürfen, dass es so schnell voranging. Zu wenig Planung und ein kurzsichtiges Monster, das sich jederzeit von der kurzen Leine losreißen konnte. Sosehr er es genossen hatte, davon zu hören, ein Teil davon zu sein, zu spüren, wie der Atem den Körper verließ, zu sehen, wie das Licht in den Augen dunkler wurde, wenn die Seele ging – er wusste, dass es zu viel war. Zu viele in zu kurzer Zeit. Der Junge war ihr Untergang.
18. KAPITEL
Frank Richardson nahm die Lesebrille ab und rieb sich die Augen. Sein Gehirn schien leer gefegt. Er war alle Akten noch einmal durchgegangen, hatte seine Stories gelesen und Kopien der wichtigen Passagen angefertigt. Alles in allem hatte er über die Jahre mehr als vierhundert Artikel über den Schneewittchenmörder geschrieben.
Er erinnerte sich an diese Zeiten. Es war ein berauschendes Gefühl gewesen, den Einwohnern Nashvilles die schlimmstmöglichen Informationen mitteilen zu müssen. Damals hatte er eng mit den Cops zusammengearbeitet und mehr Exklusivberichte erhalten, als ein Reporter erhalten sollte, sowohl legal als auch auf andere Art. Er war stolz auf seine Arbeit, auf seine Aufmerksamkeit für Details, seine akribischen Analysen. Keine Vorverurteilung, keine Anschuldigungen gegen die Polizei, weil sie zu langsam arbeitete, sondern einfach nur solider Journalismus, der über das Wirken des Schneewittchenmörders berichtete.
Er wusste, dass Taylor an den Aspekten seiner Arbeit interessiert war, die sich mit möglichen Verdächtigen befassten. Sie hatte ihm von dem vermissten Siegelring erzählt und von ihren Vorbehalten gegenüber Burt Mars. Frank war daraufhin so frei gewesen, Mars aufzuspüren. Seine letzte bekannte Adresse war in Manhattan. Es war keine leichte Arbeit gewesen, aber was er herausgefunden hatte, erstaunte ihn. Lieutenant Jackson hatte recht damit, argwöhnisch zu sein.
Burt Mars war 1989 im Zuge eines Finanzskandals aus Nashville fortgezogen. Für seine Suche nach Geld und Anonymität hatte er sich den Norden des Landes ausgewählt. Mehrere Jahre verschwand er völlig von der Bildfläche, um dann wieder aufzutauchen, allerdings nicht mehr anonym. Er eröffnete eine Buchhaltungsfirma in der Lower East Side von Manhattan. Innerhalb von sechs Jahren erarbeitete er sich einen gewissen Ruf und war bei der Polizei bekannt wie ein bunter Hund. Wer nahm sich auch schon vor, ein notorischer Scheckfälscher und Aktienbetrüger zu werden? Nachdem er wegen Teilnahme am organisierten Verbrechen und Bestechung verurteilt worden war, hatte Mars
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