Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
ihn, und Charlotte fuhr unter ihm zusammen, als hätte er sie geschlagen.
Er verließ das Zimmer, ließ sie mit ihren vor Überraschung geweiteten Augen alleine zurück. Die Drohung war real, und sie beide wussten es. Es war ihm egal.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und Charlotte brauchte einen Moment, um sich zu erholen. Ein Schatten trat aus dem Badezimmer.
„Mach dir keine Sorgen, Liebste. Für die Art, wie er dir gerade gedroht hat, werde ich ihn umbringen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich ein wenig enttäuscht bin. Mir hätte es gefallen, zuzusehen, wie er dich fickt. Er ist ein ziemlich … großer Mann. Ohne Kampf wird er schwer zu schlagen sein.“ Er ballte seine Hände zu Fäusten und streckte sie wieder aus. Dann bog er langsam einen Finger nach dem anderen zurück.
„Halt die Klappe.“ Sie wirbelte herum, trat ans Fenster und starrte in die Nacht.
21. KAPITEL
Nashville, Tennessee
Donnerstag, 18. Dezember
21:30 Uhr
Nachdem Taylor den Papierkram erledigt hatte, nutzte sie die Waschräume im Revier, um zu duschen und sich umzuziehen. Weil sie wusste, dass sie es nicht weiter hinauszögern konnte, setzte sie sich in ihr Auto und fuhr die Church Street hinauf. Die über den Polizeifunk kommende Meldung über eine Schießerei in der Lischey Avenue ignorierte sie. Das war heute Nacht ausnahmsweise mal nicht ihr Problem. Die B-Schicht der Mordkommission konnte sich darum kümmern. Aber als sie in die Parklücke vor dem VIBE einbog, hatten sich trotzdem Gedanken an Mord in ihrem Kopf festgesetzt.
Viele Morde, inklusive der, die sie selber gerne begehen würde. Sie beobachtete, wie eine hochklassige Professionelle um die Ecke stolzierte, den Freier im Schlepptau. Zehn Dollar, dass er keine Ahnung hatte, dass ihn der Zuhälter des Mädchens nach dem Vergnügen um mehrere Hundert Dollar erleichtern würde. Sie überlegte, ob sie ihnen nachgehen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Heute Nacht wollte sie mal kein Cop sein. Sie war nur ein Mädchen, das kurz davorstand, zu heiraten, und diesen Anlass entsprechend mit ihren Freunden feierte.
Wie zum Teufel hatte sie sich nur dazu überreden lassen können?
Musik klang durch die geöffnete Tür. Sie erkannte eine ihrer beiden Lieblingsbands. Garbage. Shirley Manson wollte wissen: „Why do you love me?“, und Taylor lachte. Wie passend für einen Junggesellenabschied.
Sie überquerte den Parkplatz und betrat den Club. Die Musik dröhnte, die Lichter blitzten. Ein Geruch kitzelte ihre Nase. Süß mit einem Hauch Patschuli. Es roch wie ein sexgetränkter Kifferladen. Frauen in durchsichtigen Negligés, mit aufgeklebten Nippeln und G-Strings wanderten an ihr vorbei und musterten sie wohlwollend von Kopf bis Fuß. Auf der Bühne mit dem schwarzen Boden tanzten drei Stripperinnen – eine blonde, eine brünette und eine rothaarige. Sie wanden sich und umtanzten einander so, dass Taylor einen Augenblick stehen blieb und ihnen zusah. Die Choreografie dieses Tanzes war wirklich beeindruckend. Da sie nicht so gebannt davon war wie die Männer, die im Halbkreis vor der Bühne saßen, konnte Taylor hinter die Fassade der Nacktheit sehen und die Arbeit abschätzen, die die Mädchen in ihre Vorstellung steckten. Sie waren alle noch sehr jung und dachten vermutlich, dass sie diesen Job nur für eine begrenzte Zeit machen würden.
Taylor hatte es schon zu oft gesehen – die Mädchen, die in den Clubs arbeiteten, waren der Metro am liebsten. Sie waren in Sicherheit und wurden bis zu einem gewissen Grad beschützt, bis sie sich mit dem falschen Typen anlegten. Dann endeten sie wie die beiden Mädchen aus dem Massagesalon heute Vormittag oder wie Saraya Gonzalez, die kaltblütig umgebracht worden war.
Taylor konnte Sam nirgendwo entdecken, also setzte sie sich an einen Tisch im hinteren Teil des Ladens. Sie genoss die paar Minuten des Alleinseins, die ersten, die ihr dieser Tag gönnte. Bei der leicht bekleideten Bedienung bestellte sie ein Bier, schlug die Einladung zu einem speziellen Lapdance in einem der Separees dankend aus und lehnte sich zurück. Sie blendete ihre Umgebung aus und nahm kaum wahr, was vor ihr passierte.
In ihrem Hinterkopf spukte immer noch die Geschichte über Sexsklaven herum, die das spanische Mädchen ihr erzählt hatte. Saraya Gonzales. Der Name war hübsch, aber das Gesicht, obwohl fein und attraktiv, war so unglaublich leer gewesen. In Gedanken ging Taylor die Unterhaltung noch einmal durch in dem Versuch, zwischen dem im
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