Taylor Jackson 03 - Judasmord
Gespräch überhaupt irgendwo hinführen, oder vergeudete sie hier nur ihre Zeit?
„Was soll das heißen?“
Ricard legte ihre Fingerspitzen aneinander und tippte mit den Zeigefingern gegen ihre Lippe. „Das heißt, dass ich heute Morgen die Nachrichten gesehen habe. Sie sind suspendiert worden. Stimmt das, oder hat man Sie in den letzen fünf Minuten wieder rehabilitiert?“
Taylor drückte sich tiefer in die Sofakissen. Verdammt.
Ricard winkte ab. „Mir ist es egal, Lieutenant. Ich habe die Videos gesehen.“
Taylor wurde blass, aber Ricard fuhr ohne Unterbrechung fort. Ihr Ton war nicht gerade herzlich zu nennen, aber es schwang eine gewisse Kameradschaft mit.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Es ist vollkommen offensichtlich, dass jemand wütend auf Sie ist und versucht, Ihren Ruf zu ruinieren. So etwas habe ich auch schon durchgemacht. Einschüchterung, Druck, Nötigung. Lassen Sie sich von denen nicht in die Knie zwingen. Doch ehrlich gesagt ist das alles hierfür nicht wichtig. Ich spüre Ihren tiefen Wunsch, den Mörder von Corinne zu finden. Das Feuer in Ihren Augen ist nicht zu übersehen.“ Sie lächelte; der erste freundliche Ausdruck auf ihrem Gesicht, seit Taylor ihr Büro betreten hatte.
„Das muss jedoch unter uns bleiben. Das verstehen Sie sicherlich. Wenn ich einer suspendierten Polizistin Auskünfte über eine meiner Patientinnen gebe, kann das nur in hypothetischer Form geschehen.“
Taylor suchte in Ricards Gesicht nach Anzeichen dafür, dass die Therapeutin sie auf den Arm nehmen wollte, fand jedoch keine. Was hatte sie schon zu verlieren? Sie konnte sowieso nicht ins Headquarter marschieren und verkünden, den Fall gelöst zu haben. Nein, sie nahm die Ärztin besser beim Wort, hörte zu, was sie zu sagen hatte, und versuchte, so viele Informationen wie möglich mitzunehmen.
„Ich verstehe. Damit bin ich einverstanden. Ich bin nur neugierig, wie jemand, der so kontrolliert und selbstsicher ist wie Corinne Wolff, mit einem Mal so zusammenbrechen kann. Es scheint mir ihrem Charakter überhaupt nicht zu entsprechen, dass sie während ihrer Schwangerschaft Medikamente gegen Angstattacken genommen hat. Doch wenn sich daraus ein Hinweis ergibt, der mir hilft herauszufinden, ob es ihr Ehemann oder jemand anderes war, der sie getötet hat …“
Ricard nickte, also hielt Taylor inne und ließ die Frau ihre Gedanken sammeln.
„Sie wissen bereits eine Menge über sie. Ich nehme an, es wurde ein sorgfältiges Profil des Opfers erstellt.“
„Ich versuche, ein akkurates Profil des Opfers zu erstellen. Corinne scheint eine Frau mit zwei Persönlichkeiten gewesen zu sein. Auf der einen Seite die Hausfrau und Mutter, das ehemalige Tenniswunderkind, die kurzfristige Geschäftsfrau. Auf der anderen Seite war sie offensichtlich außer Kontrolle, verzweifelt auf der Suche nach Glück und Vergnügen. Ich würde gerne wissen, wieso diese Frau zwei sodermaßen verschiedene Seiten hatte.“
„Wir alle haben zwei Seiten, Lieutenant. Die Persönlichkeit, die wir für unsere Mitmenschen annehmen. Und das Ich, das wir versteckt halten, den echten Teil von uns, der es uns erlaubt, Urteile zu fällen und Vergnügen aus unseren Taten zu ziehen. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie zu Hause, im Privaten, derselbe Mensch sind wie in der Öffentlichkeit. Schon allein die Tatsache, als Frau die Position eines Mannes zu bekleiden, würde Sie davon abhalten, im Beruf Schwäche oder Verletzlichkeit zu zeigen.“
„Ich bin wohl kaum die einzige Frau auf einem Männerposten, Doctor. Und ja, ich bin bei der Arbeit die gleiche Person, die ich auch zu Hause bin. Sie kriegen, was Sie sehen, sozusagen.“
Ricard lächelte. Ihre Lippen wurden schmal. Die Frau mochte es nicht, herausgefordert zu werden.
„Wirklich? Wie viele weibliche Lieutenants gibt es derzeit bei der Polizei?“
„Viele.“
„Und arbeiten die eher in der Verwaltung oder in der Strafverfolgung?“
„Bei der Metro? In der Verwaltung. Ich bin die Einzige in der Strafverfolgung.“
„Und ich wette, Sie genießen den Respekt Ihres Teams. Und zeigen ihnen niemals, dass Sie sich tief im Inneren wünschen, alle Kontrolle abzugeben und ihnen zu erlauben, sich um Sie zu kümmern.“
„Oh, da liegen Sie falsch. Wir sind ein Team. Wir arbeiten zusammen, und ich überlasse mich ihnen ständig. Wenn ich es nicht tun würde, würden sie mir nicht vertrauen.“
„Und haben Sie einen Mann zu Hause?“
„Ja.“
„Was macht er?“
„Er ist
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