Taylor Jackson 03 - Judasmord
durchaus logisch. Vielleicht auch nur Wunschdenken, aber wer wollte das einem Mädchen verdenken? Was wäre das Leben, wenn sie keine Irren jagen würden? Langweilig und fad, so viel war mal sicher.
In der Lobby wies ein schwarz glänzendes Schild Dr. Ellen Ricards Büro im achten Stock aus. Ein steter Menschenstrom bewegte sich auf die Fahrstühle zu – Patienten, Empfangsdamen, eine Krankenschwester in blauer OP-Kleidung mit einem Kaffee aus dem nahe gelegenen Coffeeshop in der Hand. Taylor reihte sich ein undbetrat den Fahrstuhl.
Dr. Ricards Büro befand sich am Ende eines langen Flures auf der rechten Seite direkt neben der Feuertreppe. Taylors Eintreten wurde durch ein dezentes Klingeln angekündigt. Das Büro war hübsch eingerichtet – ein rot-goldener Aubusson-Teppich bedeckte beinahe den gesamten Fußboden und betonte die farblich passenden Ölbilder der örtlichen Künstlerin Jennifer Wilken, die überall an den cremefarbenen Wänden hingen. Die Möbel waren mächtig, quadratisch und aus Wildleder. Auf einem gläsernen Couchtisch lagen verschiedene Ausgaben des Town and Country Magazines , und in der Luft hing ein leichter Duft von Chanel.
Auf das leise Klingeln hin kam Dr. Ricard aus einem angrenzenden Zimmer. Sie hatte schulterlange, silbrig-graue Haare, die nicht recht zu ihrem jugendlichen Gesicht passen wollten. Eine eckige schwarze Brille, kaum Make-up, schwarze Strickhose mit einem tief ausgeschnittenen, schwarz-weißen Seidentop – Ricard war eine seltsame Mischung aus Hippie und hip. Sie war bestimmt nicht älter als vierzig, aber Taylor war nicht sonderlich gut darin, das Alter von anderen Menschen zu schätzen.
Ricard durchquerte den Raum und streckte ihre Hand aus. Taylor schüttelte sie und folgte dann der Einladung der Psychologin in ihr inneres Heiligtum.
Das Zimmer war sonnendurchflutet. Da es nach Osten zeigte, fielen die ersten Strahlen der Morgensonne durch die Fenster und verliehen dem Raum etwas Fröhliches. Zwei schwere Sofas standen einander gegenüber. Zwischen ihnen stand ein weiterer Art-déco-Glastisch. Ein großer, mit schwarzem Samt bezogener Ohrensessel sah aus, als würde er oft benutzt. Und da ging Dr. Ricard auch schon darauf zu und ließ sich geschmeidig wie eine Katze hineinsinken. Sie zog die Beine unter, legte Notizblock und Stift auf den Couchtisch und bedeutete Taylor mit einem Kopfnicken, sich ebenfalls zu setzen. Taylor tat wie ihr geheißen und bewunderte, welche Kontrolle diese Frau ausübte, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Nach einem kurzen Moment des Schweigens sprach Dr. Ricard. Ihre akzentuierte Stimme weckte in Taylor das Gefühl, sich auf einer Museumstour durch Großbritannien zu befinden.
„Ich bin Ellen Ricard, aber das wissen Sie ja bereits. Wie kann ich Ihnen helfen, Lieutenant?“
Sie kam gleich zum Kern des Gesprächs, was Taylor nur recht war.
„Corinne Wolff. Sie war Ihre Patientin. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir sagen, wieso.“
„Wenn Sie wissen, dass sie eine Patientin war, dann wissen Sie auch, dass ich Ihnen nichts über den Inhalt unserer Treffen sagen darf. Aber es tut mir leid, dass wir sie verloren haben. Corinne war eine bemerkenswerte Frau.“
„Dann helfen Sie mir, ihren Mörder zu finden, Doctor.“
„Ist der nicht schon gefunden? Es sind gerade mal zwei Tage vergangen, und Sie haben schon einen Verdächtigen inhaftiert.“
„Das stimmt, aber es ist noch keine ausgemachte Sache, dass Todd Corinne umgebracht hat. Ja, er ist verhaftet worden, weil es Beweise gibt, die ihn belasten. Aber die Ermittlungen bezüglich seiner Handlungen in den Stunden vor dem Mord sind noch lange nicht abgeschlossen. Doch deswegen bin ich nicht hier. Soweit ich das richtig verstehe, waren Corinne und ihr Mann sehr … offen, was ihre Sexualität angeht.“
„Sei es, wie es wolle. Sie sind diejenige, die sich nicht sicher ist. Sie wollen nicht dafür verantwortlich sein, falls er unschuldig ist.“
„Das stimmt. Ich bin nicht überzeugt. Ich gehe mit dem Leben anderer Menschen immer sehr sorgsam um, egal, was sie selbst auch für Entscheidungen treffen. Und hören Sie bitte auf, mich zu analysieren. Ich bin keine Patientin, ich versuche lediglich, ein paar Antworten zu finden.“
Endlich lächelte Ricard und entspannte sich sichtlich in ihrem Sessel. „Okay, Lieutenant. Ich höre auf, Spielchen zu spielen, wenn Sie auch aufhören.“
Taylor war sich nicht sicher, was sie von der guten Frau halten sollte. Würde dieses
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