Taylor Jackson 03 - Judasmord
einmal nehmend lief sie dieTreppe hinauf, zog ihre Karte durch den Kartenleser am Eingang und ging hinein. Die Tür führte direkt zu dem Flur vor der Mordkommission. Die zweite Schicht war bereits da; Stimmengewirr drang aus den Büros.
Der Flur wurde von einer jungen Streifenpolizistin aus der ersten Schicht versperrt, die sich vornübergebeugt hatte und einen Stapel grünes Kopierpapier aus einem Karton nahm. Ihre Stabtaschenlampe baumelte gefährlich nah an ihrem Kopf. Sie richtete sich auf und schaute die Zettel an der Pinnwand durch – die übliche Mischung aus Anzeigen, Terminankündigungen und Kalendern. Sie brauchte nur wenige Minuten, um die Pinnwand neu zu ordnen und neue Stellenausschreibungen und Aufrufe anzuheften. Als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück und musterte zufrieden ihr Werk. Dann schob sie die Plexiglasscheibe zu und schloss sie mit einem kleinen Schlüssel ab. Sie bemerkte Taylor und schob mit einem gemurmelten „Entschuldigung“ den Karton beiseite. Nachdem Taylor an ihr vorbei war, ging sie zu dem nächsten Glaskasten, in dem die aktuellsten Fahndungsplakate hingen. Sie schloss ihn auf, griff in ihre kleine Kiste und zog mehrere Poster heraus, die sie nach Priorität ordnete. Die höchste Priorität hatte ein berüchtigter „kalter Fall“, für den es offenbar eine neue Spur gegeben hatte.
Das Cold-Case-Team. Taylor beneidete die Kollegen kein bisschen um ihre Arbeit. Sie konnte es sich nicht vorstellen, sich Vollzeit mit kalten Spuren zu beschäftigen, mit den Schmerzen und dem Leid anderer Menschen zu leben. Taylor war überzeugt davon, dass eine Familie wissen musste, was genau passiert war, um die Tat verarbeiten zu können. Für die Angehörigen der Vermissten, der Ermordeten, deren Mörder nie gefunden worden waren und für die es keine Antworten gab, war das Warten unerträglich. Nashville hatte viele Fälle, auf die diese Beschreibung zutraf, und sechs oder sieben davon wurden derzeit aktiv bearbeitet.
Mit einem kurzen Winken zu zwei Detectives von der B-Schicht betrat sie ihr Büro und schloss die Tür hinter sich.
Absolut erstaunlich. Beim Blick auf ihren Schreibtisch fühlte Taylor sich an die Folgen eines Tornados erinnert. Als sie am Abend zuvor das Büro verlassen hatte, war alles an seinem Platz gewesen; die Ein- und Ausgangkörbe waren leer und die Schreibtischplatte komplett freigeräumt gewesen. Jetzt quollen sie schon wieder über. Taylorerblickte mindestens vier Berichte über den Tatort des Wolff-Falls, ein paar gerichtsverwertbare Gegenstände, einen leeren Ordner, den eine gute Seele in dem Wissen bereitgestellt hatte, dass sie darin alle Informationen sammeln und somit ein Mordbuch über den Wolff-Fall erstellen würde. Ein paar bunte Post-its, eine volle Anrufliste, ein kleines Durcheinander aus Stiften und Kulis. Ein Streifen Mondlicht fiel durch die offenen Vorhänge direkt auf eine Liste mit Basketballspielen mit einem pinkfarbenen Zettel darauf, der sie daran erinnerte, vor Donnerstagmittag ihre Tipps abzugeben, wenn sie an der jährlichen NCAA-Wettrunde teilnehmen wollte. Kaum einen Tag nicht da, und schon erblühte der Schreibtisch wie eine Forsythie – in der einen Minute nackt und leer, in der nächsten voller widerspenstiger Blüten. Mit einem Seufzer ließ sie sich auf ihren Stuhl sinken und fing an, Ordnung zu schaffen. Sie konnte im Chaos nicht arbeiten und hatte Unordnung in ihrer Umgebung noch nie geduldet.
Das Lämpchen ihres Anrufbeantworters blinkte. Sie hörte die Nachrichten ab. Die einzig interessante kam von Lincoln Ross. Den Göttern sei Dank. Es tat so gut, seine Stimme zu hören.
Ihr fiel nie auf, wie sehr sie vermisste, bei ihrem Team zu sein, bis es so weit war. Die ganze Zeit über, als sie mit Baldwin unterwegs gewesen war, hatte sie ihre Jungs vermisst. Und nach ihrer Heimkehr hatte sie erfahren müssen, dass Lincoln Ross zu einem Sondereinsatz abkommandiert worden war. Mehr war ihr nicht gesagt worden. Sie konnte nur raten, welche Fälle wichtig genug waren, um einen Detective der Mordkommission Vollzeit dafür abzustellen. Sie hatte ein paar Anläufe gemacht, ihrem Chef, Captain Mitchell Price, mehr zu entlocken, doch er hatte bei jeder ihrer geäußerten Vermutungen nur gelächelt und mit dem Kopf genickt, ohne ihr die Befriedigung zu gönnen, zu erfahren, welche ihrer Annahmen richtig war.
Sie schob einen Stapel Papier beiseite, klappte ihr Handy auf und wählte die Nummer. Lincoln ging nach dem ersten
Weitere Kostenlose Bücher