Taylor Jackson 03 - Judasmord
das Video in den Mittagsnachrichten gezeigt würde. Aber wer auch immer das veranlasst hat, sie haben ihren Angriff koordiniert, Taylor. Die Sexvideos sind noch nicht gezeigt worden, sie liegen den nationalen Kabelsendern aber vor. Die Arschlöcher haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Quelle zu verifizieren. Es war draußen, bevor ich eine Chance hatte, es aufzuhalten.“ Seine Stimme brach. „Und ich habe es versucht, Taylor. Ich habe es wirklich versucht. Wir könnten verlangen, dass sie die Geschichte unterdrücken, aber das wäre nur wie Öl ins Feuer zu gießen. Die Sexvideos und der Film mit der Schießerei sind sorgfältig geplant worden, um dich zu Fall zu bringen. Wir werden aber einen Weg finden, das aufzuklären, ich schwöre es.“
Oh, das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Das Wort national hallte wieder und wieder durch Taylors Kopf und gab ihr einen Vorgeschmack, womit sie es hier wirklich zu tun hatte. Taylor schloss die Augen und versuchte, sich an das letzte Mal zu erinnern, als sie vor die Kollegen der Internen Ermittlung zitiert worden war. Damals wares nicht sonderlich gut für sie gelaufen. Inzwischen gab es dort neue Leute, eine neue Führung. Vielleicht würde alles glattgehen. Doch der Knoten in ihrem Magen verriet die tiefer sitzende Angst. Sie zuckte zusammen, schluckte einmal und öffnete ihre Augen wieder.
„Mist“, sagte sie.
28. KAPITEL
In den Büros des Office of Professional Accountability (OPA), wie das Dezernat Interne Ermittlungen der Metro Police offiziell hieß, war es eisig kalt. Jemand hatte die Klimaanlage auf volle Leistung gestellt, was angesichts der herrschenden Außentemperaturen vollkommen übertrieben war.
Taylor musste all ihre Selbstkontrolle aufbieten, um nicht zu zittern. Sie wollte keinen falschen Eindruck erwecken. Captain Delores Norris sollte nicht denken, dass sie Angst hatte. Sie nahm an, dass sie die Klimaanlage absichtlich so kalt gestellt hatten, damit sie sich selbst mächtiger fühlen konnten. Price schien das nichts auszumachen, er legte einfach seinen rechten Knöchel auf sein linkes Knie und saß ganz still und in Gedanken versunken da.
Taylor hatte seit David Martins Tod kaum Kontakt mit dem OPA gehabt. Außer letzten Monat, als sie gezwungen gewesen war, ihr Magazin auf einen Mörder zu leeren, der sich Schneewittchen nannte. Damit hatte sie aber kein Problem gehabt. Die Officer des OPA waren innerhalb der Truppe nicht sonderlich beliebt. Sie durften keine Freundschaften mit ihren Kollegen schließen, mussten sich von den anderen fernhalten und stets tadellos verhalten. Verbrüderungen waren nicht erlaubt.
Kurz nachdem die ehemalige Investigative Service Division in Office of Professional Accountability umbenannt worden war, hatte Fitz ihr den Spitznamen „Oompa“, also Blasmusik, verpasst. Die Mordkommission hatte sich darüber sehr amüsiert, und irgendwann war der Name dann auch in andere Abteilungen durchgesickert und wurde heute wie selbstverständlich benutzt. Taylor nahm an, dass die Beamten der Internen Ermittlung inzwischen von allen „Oompas“ genannt wurden – natürlich nur hinter ihrem Rücken.
Mit der Ernennung des neuen Abteilungsleiters wurde der Name sogar noch passender, wobei Taylor sich ab und zu fragte, ob ihr Chief of Police überhaupt Sinn für Humor besaß. Neuer Captain war Delores Norris, eine Frau, die nicht größer als einen Meter fünfzig sein konnte. Doch was ihr an Größe fehlte, machte sie dadurch wett, dass sie schwarz und eine Frau war. Sie war während ihrer Laufbahn unglaublich schnell befördert worden und nun Chefin der am meisten gehassten Abteilung der gesamten Polizei. Ihre winzige Statur trugnur dazu bei, dass der Spitzname weiter in Gebrauch blieb, und dass sie leichte O-Beine hatte und ging wie ein Besucher auf dem Oktoberfest nach der sechsten Maß, half auch nicht wirklich. Wenn sie über die Flure wackelte, war immer ein leises „Oompa, Oompa“ zu hören. Taylor war es ein Rätsel, wie die Frau es aushielt, ständig das Ziel für Hohn und Spott zu sein.
Die Frage stellte sich ihr auch in diesem Moment, wo Taylor selbst das Ziel von Oompas Spötteleien war und die Situation überhaupt nicht amüsant fand.
Delores Norris saß mit kerzengeradem Rücken auf dem Stuhl, der Stoff ihrer gestärkten Uniform berührte nicht einmal die Stuhllehne. Ihr Haar war kurz geschnitten, um die Schläfen wurden die Locken schon leicht grau. Sie las einen vor ihr auf dem Tisch
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