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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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kommen?
    - Es ist elf.
    - Es ist Viertel vor elf. Jesper Humlin merkte, daß er wütend wurde.
    - Wenn du willst, kann ich im Treppenhaus warten.
    - Wenn du so mit der Pünktlichkeit schluderst, wird es nie Ordnung in deinem Leben geben.
    - In meinem Leben herrscht Ordnung. Ich bin zweiundvierzig Jahre alt und ein erfolgreicher Schriftsteller.
    - Deine letzte Gedichtsammlung war die schlechteste, die du je geschrieben hast.
    Jesper Humlin entschloß sich zu gehen.
    - Es ist besser, wenn ich an einem anderen Abend wiederkomme.
    - Warum sollte das besser sein?
    - Kann ich jetzt hereinkommen oder nicht?
    - Warum sollten wir uns hier im Treppenhaus unterhalten?
    Er betrat den Flur und stolperte sogleich über einen großen Karton, der mitten im Raum stand.
    - Paß doch auf.
    - Warum steht hier ein Karton? Willst du umziehen?
    - Wohin sollte ich umziehen?
    - Was ist in dem Karton?
    - Das geht dich nichts an.

- Muß er hier stehen, so daß man hinfällt, wenn man hereinkommt?
    - Wenn es dir nicht paßt, kannst du ein andermal wiederkommen.
    Jesper Humlin seufzte, legte den Mantel ab und folgte seiner Mutter in die Wohnung, die einem vollgestopften Antiquitätenladen glich. Seine Mutter hatte nach dem Prinzip des Eichhörnchens gelebt und im Laufe ihres langen Lebens alles aufgehoben, was ihr in den Weg gekommen war. Aus der Kindheit erinnerte sich Jesper Humlin an den ewigen Streit der Eltern über all die Dinge, die Märta partout nicht wegwerfen wollte. Der Vater war ein schweigsamer Wirtschaftsprüfer gewesen, der seine Kinder mit einer Mischung aus Wohlwollen und Staunen betrachtete. Er hatte als lautloser Mensch an der Seite seiner Frau gelebt, bis auf die Gelegenheiten, bei denen er seinen Schreibtisch oder sein Bett mit den Zeitungsstapeln und kleinen Porzellanvasen bedeckt gefunden hatte, die seine Frau hortete. Dann hatte er heftige Wutausbrüche bekommen, die mitunter tagelang anhielten. Aber es hatte immer damit geendet, daß die Vasen und Zeitungsstapel in der Wohnung blieben und daß er sich wieder in sein Schweigen flüchtete. Hingegen konnte sich Jesper Humlin nicht daran erinnern, daß seine Mutter je still gewesen wäre. Sie war von dem intensiven Willen beherrscht, ständig gehört zu werden. Befand sie sich in der Küche, klapperte sie dauernd mit den Töpfen, war sie draußen auf dem Balkon, klopfte sie die Teppiche, daß es zwischen den Hauswänden widerhallte.
    Jesper Humlin hatte oft gedacht, daß das ungeschriebene Buch, das ihm am meisten am Herzen lag, von seinen Eltern handeln würde. Sein Vater, Justus Humlin, hatte in seiner Jugend jede freie Minute mit Hammerwerfen verbracht. Er war in Blekinge aufgewachsen, in einem Dorf in der Nähe von Ronneby. Mit seinem selbstgebastelten Hammer hatte er auf einem Feld an der Rückseite des Bauernhofs trainiert. Einmal

war es ihm gelungen, den Hammer so weit zu werfen, daß es nordischer Rekord gewesen wäre, hätte der Wurf unter offiziellen Bedingungen stattgefunden. Jetzt waren nur zwei seiner jüngeren Schwestern dabeigewesen, die seine Leistung mit einem alten Zentimetermaß gemessen hatten. Den nordischen Rekord hatte damals Ossian Skiöld gehalten, und er hatte 53,77 Meter betragen. Justus Humlin hatte seinen Wurf viermal nachgemessen und war zu den Ergebnissen 56,44, 56,40, 56,42 und 56,41 Meter gekommen. Er hatte den nordischen Rekord also um mehr als zwei Meter erhöht. Später, als er an Wettkämpfen auf Bezirksebene teilnahm, gelang es ihm nie, den Hammer über fünfzig Meter weit zu schleudern. Aber bis zu seinem Tod bestand er darauf, er sei einmal derjenige gewesen, der einen Hammer weiter als jeder andere im Norden geworfen hatte.
    Märta Humlin hatte sich nie für Sport interessiert. Sie hatte sich in der Welt der Kultur heimisch gefühlt. Als einziges Kind eines bedeutenden und wohlhabenden Chirurgen war sie in Stockholm aufgewachsen. Ihr größter Traum war gewesen, Malerin zu werden, aber dafür hatte ihr Talent nicht gereicht. Aus purer Wut hatte sie eine andere Laufbahn eingeschlagen und mit Hilfe des väterlichen Geldes ein eigenes Theater eröffnet. Dort hatte sie ein paar skandalöse Vorstellungen produziert, bei denen sie in einem nahezu durchsichtigen Nachthemd auf dem Boden herumkroch. Später hatte sie eine Zeitlang eine Galerie betrieben, danach hatte sie sich der Musik zugewandt, als Impresario und Tourneeveranstalterin, und schließlich hatte sie sich dem Film gewidmet.
    Im Alter von siebzig Jahren, sie war gerade Witwe

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