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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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begann, mit langen Zügen zu rudern.
    - Bist du sicher, daß du nicht weißt, wie man es macht? Jesper Humlin fiel es jedesmal aufs neue schwer, sich zu konzentrieren, wenn er mit einem Mann sprach, der auf dem Boden saß und ruderte.
    - Ich mag keine Kriminalromane. Ich finde sie langweilig. Es interessiert mich nicht, etwas zu lesen, bei dem es nur darum geht, daß man den Falschen für den Mörder hält.
    - Das ist ausgezeichnet. Es ist genau das, was ich dachte.
    - Mußt du unbedingt rudern?
    - Ich kümmere mich um meinen Blutdruck. Mein Arzt sagt, daß ich in viereinhalb Jahren sterbe, wenn ich nicht regelmäßig Sport treibe.
    - Warum gerade viereinhalb?
    - Dann geht mein Arzt in Pension. Er will sich auf den Azoren niederlassen.
    - Wieso?
    - Dort soll es die gesündeste Bevölkerung der Welt geben.
    - Ich schreibe keinen Kriminalroman. Olof Lundin stützte sich auf die Ruder.
    - Es freut mich, das zu hören.
    - Freut dich das? Bevor du mit dem Rudern anfingst, hast du gesagt, du möchtest, daß ich einen Kriminalroman schreibe.
    - Ich bin jetzt ungefähr in Möja.
    - Was meinst du damit?
    - Ich rudere einmal im Monat nach Finnland und zurück.
    Jesper Humlin fühlte sich langsam erschöpft.

- Ich schreibe keinen Kriminalroman. Damit du es nur weißt. Was verstehen Öldirektoren von Literatur?
    Olof Lundin hatte wieder mit dem Rudern angefangen.
    - Nichts.
    - Ich werde im Frühjahr eine Gedichtsammlung abliefern.
    - Einen Kriminalroman, meinst du?
    - Ich schreibe keinen Kriminalroman. Wie oft muß ich das noch sagen?
    - Du wirst einen Knüller landen. Ein bedeutender Poet, der einen Kriminalroman weder schreiben will noch kann, hat garantiert Erfolg. Er wird anders sein. Aber gut. Vielleicht wird es ein philosophischer Kriminalroman?
    - Wenn du meine Gedichte nicht haben willst, gibt es andere Verlage, die nicht im Besitz von verrückten Öldirektoren sind. Olof Lundin ließ die Ruder los und stand auf. Nachdem er sich eine Zigarette angesteckt hatte, spannte er den Blutdruckmesser ums Handgelenk.
    - Mißt man den Blutdruck nicht erst, nachdem man geruht hat?
    - Ich will nur den Puls kontrollieren. Selbstverständlich möchte ich deine Gedichte haben.
    - Sie verkaufen sich nicht in 50000 Exemplaren.
    - Dein Kriminalroman schafft das.
    - Ich schreibe keinen Kriminalroman. Ich bin Poet.
    - Du schreibst deine Gedichte. Genau wie sonst. Den Kriminalroman schiebst du zwischen die Gedichte.
    - Wie meinst du das?
    - Der Puls liegt bei 98.
    - Dein Puls ist mir im Moment egal. Ich will wissen, was du meinst?
    - Es ist ganz einfach. Du schreibst einen Kriminalroman, in dem das Gedicht, das jedes Kapitel einleitet, einige Hinweise enthält.
    - Was für Hinweise?

- Solche, zu deren Entschlüsselung es einer gewissen literarischen Erfahrung bedarf. Ich bin überzeugt, daß dein Buch eine Sensation wird. Ein philosophischer Thriller. Jesper Humlin sucht neue Wege. Das wird ein Knüller. Wir werden mindestens 60000 Exemplare verkaufen.
    - Warum nicht 61000?
    - Mein Instinkt sagt mir, daß sich dein Roman in genau 60000 Exemplaren verkaufen wird.
    Jesper Humlin sah auf die Uhr und erhob sich. Er verspürte ein Bedürfnis, dem Ort zu entfliehen, der immer mehr einem nebligen Schlachtfeld glich.
    - Heute habe ich eine Lesung in Göteborg. Ich muß los.
    - Wann lieferst du das Manuskript ab?
    - Ich schreibe keinen Kriminalroman.
    - Wenn ich das Manuskript im April bekomme, erscheint das Buch im September. Im Titel sollten wir etwas in der Art von »Das mörderische Gedicht« stehen haben.
    Das Telefon läutete. Jesper Humlin verließ den Verlag und sog frische Luft in die Lungen, als er auf die Straße hinaustrat. Das Gespräch mit Olof Lundin hatte ihn sowohl beunruhigt als auch wütend gemacht. Für gewöhnlich ermüdete es ihn nur, wenn er mit seinem Verleger sprach. Er blieb auf der Straße stehen und sah ein, daß Olof Lundin es ernst gemeint hatte. Nicht nur Viktor Leander hatte sich überzeugen lassen, daß die einzige Möglichkeit, Bücher in großen Auflagen zu verkaufen, die war, auf den Zug der Kriminalliteratur aufzuspringen.
    Während Jesper Humlin zum Hauptbahnhof ging, dachte er an den Umschlag seines letzten Buchs. Bis zuletzt, bis er in die Südsee fuhr, hatte er gegen den Entwurf protestiert, den man ihm vorgelegt hatte. Über diese Frage hatte er viele erregte Gespräche mit Olof Lundin geführt. Der Umschlag stand in keinerlei Beziehung zum Inhalt des Gedichtzyklus. Obendrein war der Umschlag häßlich, in

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