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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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sauber blieben, ständig den Pfützen ausweichen und wie ein Betrunkener im Zickzack durch die schon um sieben Uhr ausgestorbene Stadt laufen. Die Bewohner dieser Stadt saßen wahrscheinlich vor der Glotze oder korrigierten die Hausaufgaben ihrer Kinder. Wie ich sie hasste! Ich suchte eine Bar, und jeder, den ich danach fragte, verwies auf mein Hotel.
    Schließlich fand ich doch noch eine proletarische Gaststube, mit einem stolzen Namen: das griechische Restaurant Dionysos . Ich nahm mir vor, falls dort das Rauchen verboten sein sollte, den Spiegel anzuspucken und meine Suppe in das Aquarium hineinzugießen – aber sie hatten Glück.
    Meine Stiefel sind trotzdem schmutzig geworden, aber egal. Während man mir ein Bier einschenkte, dachte ich, mein Liebster, was für tolle Schnürstiefel hast du mir da geschenkt! Dann brachte man das Bier, und ich schwöre, genau da kreuzte dieser Wilde auf, ließ seine Zähne blitzen und setzte sich einfach, ohne zu fragen, zu mir. Er fragte, ob wir etwas Stärkeres trinken sollen, und dann: »Ich lade dich ein. Schön, dass du da bist.«
    Es stellte sich heraus, dass ich die Wilde, die Menschenfresserin war, und nicht er, der Professor. Er hatte einmal in einem Orchester Cello gespielt, ich dagegen hatte die siebenjährige Musikschule nur dank der Lehrerin in Musiktheorie abschließen können, die eine Freundin meiner Großmutter war. Der Asiat übersetzte Heidegger, ich dagegen die blöden Seminare der Nichtregierungsorganisationen. Er war der reizendste Mann, der mich je angesprochen hatte, und ich traute mich nicht mehr, meine Beine zu zeigen – im Sommer hatte ich mich zum letzten Mal begutachtet und erfreut festgestellt, dass ich nur noch Geist war und nicht mehr Körper.
    Ob es am Alkohol lag oder an dem Mann, weiß ich nicht. Als wir ins Freie traten, dachte ich, diese Stadt ist doch nicht so schlimm. Sogar die feuchte Luft mochte ich auf einmal.
    »Hey, schau«, sagte er plötzlich, »ich habe die gleichen Schnürstiefel an wie du.«
    »Doc Martens.« Es traf mich hart, mir fiel mein Geliebter ein und wie sehr ich mich auf diese Stiefel gefreut hatte, wie stolz ich sie ihm gezeigt hatte. Ich glaube, er hat sie gar nicht so toll gefunden, und überhaupt, glaube ich, steht er auf eine ganz andere Art von Frauen, auf Frauen, die ganz anders herumlaufen, er hat es sich nur nicht anmerken lassen. Wahrscheinlich hat er meine neuen Schuhe nicht einmal richtig angeschaut. Und ich habe alles getan, um ihm zu gefallen!
    »Deine sind nur einen Tick anders in der Farbe«, erwiderte ich. »Aber es ist zu dunkel, um das richtig zu erkennen.«
    »Meine sind blau.«
    »Meine auch.« Und so stand ich da, in der verdunkelten Straße einer Stadt, der nur noch der frühere Ruhm geblieben war, mit einem andersgläubigen, fremden Mann, starrte auf meine Schuhe und war sehr glücklich dabei.
    Was ich in dieser Nacht träumte, in diesem Bett so groß wie das Feld von Didgori, kann man nicht mehr erotisch nennen, es war harte Pornographie. Durch das Wechselbad meiner Gefühle völlig verwirrt stürzte ich einen dreifachen Whiskey hinunter – diesem Hotel brachte ich richtig Gewinn! Ich genierte mich, in den Speisesaal zu gehen und ihm über den Weg zu laufen. Dann aber dachte ich, vielleicht hat er auch feuchte Träume gehabt. Nicht dass ich davon etwas gehabt hätte, es hätte mich aber gefreut. Egal, wovon er geträumt hatte – er strahlte mich einfach an, und ich schaute weg. Und dennoch, ist das nicht toll? Du stehst am Morgen auf und freust dich auf den Tag, und abends, vor dem Einschlafen, denkst du daran, was am Tag so passiert ist, und schläfst vergnügt ein. Nur eins verdarb mir die Laune, wenn auch nur ein wenig, und das, obwohl ich ein großes Mädchen bin und mich nicht von Gewissensbissen plagen lasse: mein Geliebter. Ich bin nun mal so verkopft.
    Dieser bedauernswerte Typ besuchte Christina doch, er kam aus unerfindlichen Gründen zum Seminar und blinzelte wie ein Uhu. Nur für zwei Tage sei er gekommen, aber immerhin. Ein Mann war das nicht, wie sich herausstellte, eher ein Junge, mager, mit Hängeschultern, etwas unbeholfen und ziemlich verschüchtert – schwer zu sagen, was in den Köpfen mancher Frauen vorgeht. Hätte ich das gewusst, ich hätte Christina keine so wilden Ratschläge erteilt. Ich war ehrlich besorgt, wie sollte dieser verweichlichte Europäer solche Strapazen überstehen …Und mein Geliebter? Verdammt! Ich gab mir sehr viel Mühe, etwas Negatives über ihn

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