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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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erste vierstöckige Haus, das zweite vierstöckige Haus, die Bäckerei, die kleine H-&-M-Filiale und das bereits um diese Uhrzeit mit Touristen … vollgestopfte … Café … explodiert …
    1 Georgisch: »He, wie geht’s dir? Du fehlst mir!«

NINO HARATISCHWILI
    DIE ZWEITE FRAU

Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi, ist mehrfach preisgekrönte Theaterautorin und -regisseurin. 2010 wurde ihr für ihre Theaterarbeit der Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis verliehen. Ihr Romandebüt Juja (Verbrecher Verlag) erschien im Frühjahr 2010 und war für die Longlist des Deutschen Buchpreises, die Shortlist des ZDF-aspekte-Literaturpreises und die Hotlist der unabhängigen Verlage nominiert. 2011 gewann sie für Juja den Debütpreis des Buddenbrookhauses Lübeck. Im selben Jahr wurde Nino Haratischwili für Mein sanfter Zwilling (Frankfurter Verlagsanstalt 2012) mit dem Preis der Hotlist der unabhängigen Verlage ausgezeichnet. Die Autorin lebt heute in Hamburg.
    Die Autorin, die auf Deutsch schreibt, ist hier durch ein Theaterstück vertreten: Die zweite Frau stellt zwei Frauenperspektiven gegenüber – eine aus dem Westen und eine aus dem Osten.

NINO HARATISCHWILI
    DIE ZWEITE FRAU
    personen
    laura
    agnes
    lena
    1.
    Die Welt aus Glas. Das Mädchen darin. Die Scherben häufen sich.
    agnes  Ich habe immer gedacht, wenn ich ein Messer in sie ramme, dann wird sie gar nicht bluten, so hart ist sie, so hart, wie aus Stahl. Ich habe mir immer vorgestellt, wenn ich sie anfasse, wenn ich sie kneife, ganz fest, so fest, dass ich meine ganzen Muskeln dabei anspannen muss, dann wird sie sich nicht rühren. Sie wird nichts empfinden, während ich rot anlaufe vor lauter Anspannung und Krampf und anfange zu schwitzen. Und ich gebe mir die Blöße, und sie bleibt so, wie sie immer ist: ätherisch, abwesend, unnahbar. Und ich stehe da, ich bin dann die Verliererin, ich bin die, die unter ihrer kalten Anti-Falten-Shiseido-Cremeschicht anfängt zu schmelzen. Ihr Gesicht bleibt aber weiterhin so, als ob das Leben an ihr spurlos vorbeiginge, ohne sie auch nur leicht zu berühren. Als würde sie dem Leben immer ihren manikürten Mittelfinger zeigen und die Zunge dabei rausstrecken, die Zunge, die so aussieht, als hätte sie keine Spucke. Ich habe immer gedacht – das liegt daran, dass sie noch nie, noch nie den Schmerz hat zu sich nehmen müssen wie eine lebenswichtige Medizin, wie eine Insulinspritze bei den Diabetikern, dass sie nie den Schmerz hat lutschen müssen wie einen bitteren Lakritzbonbon, der eklig und lecker zugleich ist. Den man will, ohne zu wissen, warum. Und ja, ich habe immer vermutet, diese Schicht, diese scheiß Schicht auf ihrem Körper, auf ihrem Gesicht, die sie sich zugelegt hat – die ist ein Produkt der Verzweiflung, die ihr der Schmerz hinterlassen hat, als Rache dafür, dass sie sich seiner nie angenommen hat. Die kalte, modrige Verzweiflung. Die Angst. Die Angst vor sich selber, vor dem Leben, vor dem Mann, vor dem Kind, vor der Welt. Vor der Stelle, eingeklemmt zwischen den schmalen Rippen, die anfängt, weh zu tun, wenn man sie nicht mehr füttert, immer und wieder, füttert – mit vielen Kostbarkeiten. Das habe ich mir gedacht. Bis heute, bis zu diesem Augenblick, in dem mir klar wird, dass meine Vermutungen falsch waren und fatal dazu. Falsch und fatal. So wie sie eigentlich. Ja, die Frau mit den zwei Fs. Und ich bin ihr Spross, ihr Nachkomme, ihr Blut fließt in mir, und mir wird bewusst, dass ich mich nicht verstecken kann – vor dem Gesicht, vor dem Moment, als ich ihr Gesicht sah – als die Cremeschicht anfing zu schmelzen, als ihr Make-up anfing, in Flammen aufzugehen, als ihre Augenbrauen sich zu gequälten Fragezeichen zusammenzogen. So wie sie war, als diese zwei Fs von ihr abfielen, so wie sie war, als sie nicht mehr das Leben von sich abweisen hat können, mit ihren kultivierten Schultern. Und ich denke mir, ja, das ist das Gesicht des Todes. Das ist das Gesicht, das ich als das Gesicht meiner Mutter akzeptieren muss – das Gesicht, das ich mein Leben lang gesucht habe, unter den vielen Anti-Falten-Cremes, Anti-Leben-Cremes, Anti-Liebes-Cremes, Anti-Ich-Cremes. Und ich stehe da, und ich lache. Ich lache. Ich muss lachen. Nicht, weil ich Angst davor habe, nicht, weil ich durchdrehe, nicht, weil ich meine Beherrschung verliere. Ich lache, weil ich eine Leerstelle entdecke, eine Lücke, die nur mein Lachen übertönen kann, die Stille in mir. Denn ich kann sie nicht mehr verachten,

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