Techno der Jaguare
ich kann mir die Verachtung nicht mehr leisten – meine Anti-Leben-Creme für all die Jahre, an der Seite von ihr. Meine Schutzschicht, die süße, bittere Schokolade, verpackt in eine Schachtel, auf der Verachtung steht. Ja, das habe ich immer aufbringen können, ihr zeigen können, immer, wenn ihre Kälte meine Schläfen durchbohrte, immer, wenn meine Tränen anfingen zu streiken. Und ich habe gewusst, dass sie wirkt. Dass sie damit gestraft wird. Jeden Moment, in dem ich sie mit diesem Blick strafe, immer, wenn ich sie so ansehe, so: leicht den Kopf nach links gebeugt, die Lippen ein wenig offen, die Augen voller Wunden, die Pfeile auf sie abwerfen. Ja, das hat gewirkt. In unserem Krieg, der so viele Jahre angedauert hat, dem Krieg, der sich selbst bestätigt wissen wollte und nichts sonst. Weil um uns herum kein Leben war. Weil es versunken war wie ein verdammter Liner, wie eine verdammte »Titanic«, versunken in uns selber oder stecken geblieben, eingeklemmt zwischen unseren Rippen aus Stahl. Nicht mehr zum Vorschein, nicht mehr zum Pulsieren kommend. Das denke ich, und ich lache. Ich lache, weil das das Einzige ist, was ich noch kann. Weil ich aus den Trümmern ein Lebenszeichen geben muss – damit die Welt mich erhört. Weil ich noch lebe. Oder gerade jetzt. Erst.
2.
Die Kartenhäuser, aufgereiht, wie eine Armee aus Pappe. Die Frauen darin, die eingeatmet werden wollen, die aber nur vor sich hin seufzen.
laura Also, hier, die Einbauschränke. Kennen Sie das Wort? Einbauschrank? Ach ja, bin ich froh. Endlich jemand, der unsere Sprache spricht. Diese Agenturen schicken immer irgendwelche Restposten quasi, nichts gegen Sie, aber ich meine, man zahlt sein Geld, und man will was dafür. Man denkt, ach ja, die sind reich und deswegen gleich dumm, denen fällt gar nicht auf, dass da jemand die Sprache nicht beherrscht, dass da jemand Gulasch kocht, obwohl man doch eigentlich Rinderbraten gewollt hat. Ach, denen fällt es nicht auf, dass jemand die Münzen klaut, die man in der Büchse im Flur liegen lässt, Kleingeld, das man für den Zeitungsmann oder den Einkaufswagen benötigt. Nee, sie sind ja reich und dumm. Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Sie mich verstehen. Dass Sie den Unterschied zwischen Weichspülmittel und Gelatine kennen. Nein, wirklich, es gibt so Leute, die können die Zuckerdose nicht vom Salzstreuer unterscheiden. Ja, wirklich. Meine Bekannte hatte eine Haushaltshilfe … Wo kam sie her? Agnes? Hallo? Hörst du mich? Wo kam die Haushaltshilfe von Frau Benjamin her? War das Kroatien? Nein, oh Gott, irgendwas mit K? Ich bin mit Ländernamen echt nicht gut. Ich bin keine, die ihr Leben von einer Sommerreise bis zur nächsten ausrichtet. Ich habe ein Leben da, wo ich lebe, und muss nicht dauernd verreisen, um mir das Gefühl zu verschaffen, da wäre was los, Abenteuer und Aufregung. Das alles kriege ich auch in meinem Alltag zur Genüge. Also, auf alle Fälle hat die Haushaltshilfe von Frau Benjamin Salz in den Kaffee getan. Ich meine, wir arbeiten auch für unser Geld. Ich und mein Mann haben 20 Jahre lang gearbeitet, damit es so sein würde, wie es jetzt ist, damit wir endlich da ankommen, wo wir ankommen wollten. Ich bin keine verzogene Aristokratin, die noch niemals selbst Obst geschnitten hat. Ich komme aus einer bürgerlichen Familie. Bei uns wurde Wert auf Bildung gelegt. Mein Vater hatte einen kleinen Autoverleih, und alles, was an Geld reinkam, ging in unsere Bildung. Mein Mann, der hat sein Leben in die eigene Hand genommen, der hatte nicht mal einen Cent von seinen Eltern geerbt. Und da denken diese Agenturen, wir sind dämlich und das Leben rauscht an uns vorbei. Sie denken, ich wache morgens auf und frage mich: zum Golf oder zum Squash? Das ist so ein Klischee und so dumm, regelrecht dumm. Mein Mann ist im Immobilienbereich tätig. Da ist jeden Tag ein harter Kampf angesagt. Ich habe einen Haushalt zu leiten. Eine Tochter zu erziehen und eine gewisse Ordnung zu pflegen. Da ist nichts mit Golf und Squash. Ich gehe walken oder bin in der Küche beschäftigt, das ist auch genug Sport, glauben Sie mir. Mit dem grünen Knopf kann man sie bedienen. Variabel. Ich kann dich duzen, oder? Ich hasse diesen unfamiliären Umgang. Ich meine, ab heute lebst du hier, da kann ich nicht mit diesen Floskeln ankommen. Fühl dich wohl. Das will ich damit sagen. Also, du kannst sie nach links oder nach rechts öffnen. Aber auf keinen Fall offen stehen lassen. Das wäre nicht gut, ganz
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