Teckla
das Verhältnis gefiel mir nicht.
Ich versuchte gerade, Berechnungen anzustellen, als eine weitere Gruppe dazustieß. Sechs umringten einen siebten, und alle waren Dragaeraner. Sie repräsentierten allerdings nicht das Imperium. Die sechs waren offensichtlich Leibwächter und Schläger aus dem Jhereg. Der siebte war Herth.
Meine Handflächen fingen gleichzeitig zu schwitzen und zu jucken an. Ich wußte, ich konnte jetzt nicht losschlagen und hoffen zu entkommen, aber Verra!, wie sehr ich es wollte! Ich hatte keine Ahnung, daß noch so viel Raum für Haß in mir war, bis ich diesen Mann vor mir sah, der mich hatte foltern lassen, bis ich zusammenbrach und ihm die Informationen zur Zerschlagung einer Gruppe gab, für die meine Frau ihr Leben zu geben bereit ist. Es war, als wäre er das Sinnbild der Galle, die ich mein Leben lang hatte schlucken müssen, und ich zitterte und starrte und haßte.
Loiosh drückte meine Schulter. Ich versuchte, mich zu entspannen und auf den Attentäter zu achten.
Herth entdeckte die Kommandantin und ging direkt auf sie zu. Ein paar Wachen traten zwischen sie, und Herths Leibwächter stellten sich ihnen, und ich überlegte, ob ich womöglich einen anderen als den erwarteten Kampf zu sehen bekäme. Doch die Kommandantin stieß die anderen Wachen weg und wandte sich Herth zu. Der blieb etwa sechs Schritte vor ihr stehen, und seine Leibwächter zogen sich zurück. Ich konnte sie genau sehen. Ich hatte eine perfekte Schußbahn auf Herth. Zwei der Leibwächter hätte ich mit ein paar Wurfmessern erledigen können, die anderen mit einer Handvoll Schuriken, dann hätte ich Herth ins Jenseits befördert, bevor die Dragon etwas unternehmen konnten. Ich wäre nicht lebendig davongekommen, aber ich hätte ihn erwischt. Statt dessen drückte ich mich in den Winkel des Hauses und sah zu und hörte zu und fluchte lautlos.
»Guten Tag, Gouverneurin«, sagte Herth. Also hatte ich mich in ihrem Rang getäuscht. Na und?
»Was wollt Ihr, Jhereg?« Die Stimme der Dragonlady war kalt und streng. Ich würde fast vermuten, sie konnte Jhereg nicht leiden.
»Anscheinend habt Ihr Schwierigkeiten.«
Sie spuckte aus. »In fünf Minuten nicht mehr. Und jetzt zieht ab.«
»Ich glaube, ich kann für eine friedliche Lösung dieses Problems sorgen, Gouverneurin.«
»Und ich kann dafür sorgen, daß Ihr –«
»Außer Ihr tötet gern Zivilisten. Könnte ja sein. Woher soll ich es wissen?«
Sie starrte ihn eine Weile an. Dann ging sie auf ihn zu, bis sie Nase an Nase standen. Einer seiner Leibwächter machte einen Schritt. Herth bedeutete ihm, stehenzubleiben, und er gehorchte. Langsam und bedächtig zog die Gouverneurin ein langes Kampfmesser aus der Hüftscheide neben dem Schwert. Ohne den Blick von Herth zu wenden, prüfte sie die Schärfe mit dem Daumen. Dann zeigte sie es ihm. Dann fuhr sie ihm damit über die Wange. Erst die eine Seite, dann die andere. Ich konnte rote Streifen sehen, wo sie ihn geschnitten hatte. Er ist nicht zusammengezuckt. Danach wischte sie die Klinge an seinem Umhang sauber, steckte sie weg und ging langsam davon.
Er sagte: »Gouverneurin.«
Sie drehte sich um. »Ja?«
»Mein Angebot steht noch.«
Sie betrachtete ihn eine Zeitlang. »Wie lautet es?«
»Laßt mich mit dieser Person sprechen, dem da drinnen, und gestattet mir, ihn zu überzeugen, daß er diese alberne Binnenblockade beendet.«
Sie nickte langsam. »Wohlan, Jhereg. Ihre Zeit ist so gut wie abgelaufen. Ich gebe Euch noch einmal zehn Minuten. Ab jetzt.«
Herth drehte sich zu Kellys Haustür, aber sogleich hörte ich, wie sie aufging. (Erst da fiel mir auf, wie still es auf der Straße geworden war.) Zuerst konnte ich die Tür nicht sehen, aber dann traten die davorstehenden Ostländer zur Seite, und ich sah den dicken kleinen Kelly mit Paresh an der einen und Cawti an der anderen Seite. Pareshs Aufmerksamkeit richtete sich auf Herth, und seine Augen blitzten wie Dolche. Cawti überblickte die Lage wie ein Profi, und mit einemmal wirkte ihr schwarzes Kopfband unpassend. Was aber eigentlich meine Aufmerksamkeit erregte, war, daß Herth mir den Rücken zugewandt hatte und nur noch ein Leibwächter zwischen uns stand. Es tat weh, untätig zu bleiben.
Kelly ergriff das Wort. »So«, sagte er. »Du bist Herth.« Er kniff die Augen so stark zusammen, daß ich sie kaum sehen konnte. Die Stimme war klar und fest.
Herth nickte. »Ihr müßt Kelly sein. Sollen wir hineingehen und uns unterhalten?«
»Nein«, meinte Kelly
Weitere Kostenlose Bücher