Tee und Toast
machte einen fröhlicheren Eindruck
als heute morgen, obwohl sein Schnupfen weiß Gott nicht besser geworden war.
»Ich lerne eine Menge über
Blumen und Pflanzen«, sagte er und
strahlte uns an. »Das ist sehr interessant. Es nimmt einen richtig gefangen .« Es schien ihm gar nicht klar zu sein, daß in wenigen
Minuten ein Heidengewitter loszubrechen drohte und seine süße, kleine Gloria
nirgends zu finden war.
Paul hatte die Zelte nochmals
genauestens überprüft und meinte, sie müßten jetzt eigentlich einen kleinen
Sturm aushalten. Aber es bestehe kein Zweifel, daß wir ordentlich durchweicht
werden würden. Er war sehr zufrieden mit diesen feuchten Aussichten. »Unser
Land hat Regen dringend nötig«, sagte er. Daß sein Weib und Kind dem Toben der
Elemente ausgesetzt sein würden, schien ihn wenig zu belasten. »So, und wer
fehlt ?« fragte Sam mit einem Übermaß an Taktgefühl.
»Wo ist Gloria ?« Onkel Richard erinnerte sich plötzlich an die Pflichten
eines — zumindest quasi — Verlobten. »Sag bloß, daß das Mädchen allein draußen
herumläuft !«
Wir sagten nicht, daß sie ganz
sicherlich nicht allein war. Aber Alison berichtete mit dünner Stimme, daß
Gloria mit Kopfweh aufgewacht und deshalb spazierengegangen sei. Onkel Richard
machte ein sorgenvolles Gesicht.
»Kopfweh? Komisch. Ich weiß gar
nicht, was mit ihr los ist. Sie war bisher immer so lustig und gut aufgelegt.
Jetzt ist sie ein Nervenbündel. Vielleicht mag sie dieses Leben nicht .«
Niemand von uns fand eine
Antwort auf diese großen Gedanken. Wir sorgten uns alle ein wenig um Gloria und
fanden, daß Vivian Ward ein Trottel sei und das Gewitter hätte kommen sehen
müssen. Doch vielleicht kamen die beiden noch ins Lager zurück, bevor es
losging.
Aber schon wenige Sekunden
später brach das Gewitter los, begleitet vom schlimmsten Donner, den ich je
gehört habe. Wir saßen alle im Küchenzelt. Christopher zog den Kopf ein, und
seine Augen leuchteten aufgeregt. Christina fing an zu weinen und wurde von
ihrem Vater in die Arme genommen. Selbst Larry kuschelte sich an ihren Mann, und
ich rückte so nahe wie möglich an Paul heran. Rex hatte eine solche Angst, daß
man ihn nur mit Mühe davon abhalten konnte, sich in der Kiste zu verstecken, in der unser geräucherter
Fleischvorrat aufbewahrt war.
Ganz automatisch bildeten wir
kleine Gruppen, Sam und Paul mit ihren Frauen und Kindern, Alison neben Julian
und Onkel Richard, der seine kleine Süße einfach ihrem Schicksal überließ,
setzte sich neben Lydia.
Das Gewitter dauerte wahrscheinlich
nur ungefähr zehn Minuten, es kam uns aber viel länger vor. Dann setzte der
Regen ein. Es goß in Strömen. Wie mochte es nur draußen aussehen, und wo war
Gloria?
Und was geschah mit unseren
Zelten, unserem Bettzeug und unseren Reisetaschen? Wir konnten nichts tun als
warten. Wir blickten nervös an das Dach unseres Küchenzeltes. Es leckte an
mehreren Stellen, und eine Ecke hing unheilvoll herunter. Würde es standhalten?
Inzwischen war der Boden unter
uns schon ziemlich feucht. Wenige Minuten später begann das Wasser den Hügel
herunterzusickern, dann zu strömen. Wenn der Regen noch lange anhielt, würde
bald alles aus unserem Zelt geschwemmt werden. Und dann? fragte ich mich
ängstlich. Dann würde sich wohl jemand dazu aufraffen müssen, den langen Weg
durch den Busch über die Hügel und an der Küste entlang in den Krämerladen zu
gehen, um anzurufen. Es bestand nur schwache Hoffnung, daß das Telefon nach dem
heftigen Sturm noch funktionierte und der Bootsmann zu Hause war. Die nächste
Flut kam in den frühen Morgenstunden. Vielleicht war das Zelten manchmal doch
nicht so erholsam, mußte ich denken, und die Männer hatten wieder einmal recht
gehabt.
Meine Gedanken wurden in der
nächsten Sekunde zur Gewißheit, denn mitten aus dem Sturm kam, was Larry später
»den letzten Schlag« nannte. Gloria erschien im Küchenzelt, eine arme,
verzweifelte, kleine Kreatur, tropfnaß und außer sich vor Wut und Angst. Ihre
noch vor einer Stunde so adretten Shorts und die weiße Bluse klebten ihr am
Körper, und ihre goldenen Sandalen, die ich voll Neid betrachtet hatte, waren
völlig aufgeweicht. Ihr Sommerhut, den sie von morgens bis abends getragen
hatte, um ihren schönen, englischen Teint zu bewahren, war ruiniert, und
darunter hing ihr Haar in jämmerlichen Spiralen herunter. Kurzum, die
pathetischste kleine Gestalt, die je nach einem Sturm irgendwo untergekrochen
ist.
Und trotzdem
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