Tegernseer Seilschaften
denkâ ich«, tat Hörwangl die Frage ab.
»Das Ãbliche?«
»Ja halt, ob es gut ausschaut oder nicht«, erwiderte Hörwangl, jetzt seinerseits genervt. »Was soll denn diese saudumme Fragerei?«
»Wurde da an Ihrem Stammtisch auch einmal in Erwägung gezogen, dass einer von Ihnen mit der Frau Pauli â¦Â« Anne lieà den Satz offen.
Die drei und Kastner starrten sie an. »Schnaxelt?«, fragte Hörwangl nun und lachte gleichzeitig mit seinen Kumpanen los. »Das wärâ was, wenn du, Pius, mit der Pauli schnaxeln tätst, das wärâ was fürs Fernsehân, da wärst ein echter Star, Pius, haha!«
Anne schüttelte den Kopf. Die Bedienung kam mit zwei Hellen und wollte sie den Polizisten hinstellen, aber Anne forderte sie auf, die Biere den drei Stammtischbrüdern zu servieren, legte sechs Euro auf den Tisch und stand auf. Mit Tegernseer Männern über Sex zu reden, war ganz offensichtlich ein Unterfangen, das man sich sparen konnte. »Morgen zerlegen wir den Grundnerhof«, sagte sie im Auto zu ihrem Kollegen. Es klang wie das drohende Knurren einer Raubkatze vor dem Sprung.
Doch als sie um kurz nach sechs nach Hause kam, fand sie einen Zettel an der Haustür:
Gehirntumor wieder aktiv. Musste weg.
Lisa bei Schimmler. GruÃÂ B.
Anne konnte es nicht fassen. Ging das jetzt schon wieder los? Hatte Bernhard in den letzten Tagen nicht psychisch stabil gewirkt? Hatte er ihr nicht erzählt, wie er mit seiner Arbeit weiterkomme? Und nun wieder der ganze hypochondrische Quatsch! Und wie kam er dazu, Lisa bei den Schimmlers abzuladen, ausgerechnet bei denen! Während sie zu den Nachbarn lief, malte sie sich aus, was jetzt wieder passieren würde: Bernhard würde ein Elektroenzephalogramm anfertigen lassen. Die Untersuchung würde ohne Befund bleiben. Dann würde es Bernhard besser gehen, bis ihm einfiel, dass er Pfeifferâsches Drüsenfieber oder Borreliose haben könnte oder Leukämie oder weià der Teufel was.
Anne stand vor dem Haus der Schimmlers. Der Garten war fein säuberlich gepflegt, als handle es sich um eine überdimensionierte Modelleisenbahnlandschaft. Das Gras sah aus wie ein makelloser, zwei Zentimeter dicker Teppich, ohne auch nur die Andeutung einer Schattierung oder eines Unkrauts. Offensichtlich hatten die Schimmlers sämtliche wilden Blumen mit Akribie ausgerottet. Anne hatte den kleinen Weg vom Gartentor zur Haustür noch nicht zurückgelegt, da riss Herr Schimmler bereits die Tür auf â als hätte er die ganze Zeit durch das kleine Fenster geschaut und nur auf sie gewartet.
»Hereinspaziert, hereinspaziert, die junge Mutter«, tönte er begeistert. Anne lief es eiskalt über den Rücken.
»Ist Lisa �«
»Ja, natürlich ist das verlorene Kind bei uns, gell, wir haben doch ein Herz für Kinder, ein groÃes!«, meinte Schimmler mit pastoraler Stimme. »Kommen Sie doch herein.«
Anne betrat den braun gefliesten Flur, in dem es nach Desinfektionsmittel roch. Sofort nachdem sie eingetreten war, schloss Schimmler die Tür und sperrte ab. Anne versuchte, sich nicht irritieren zu lassen, und wartete, bis er die vor ihnen liegende Tür mit dem Glaseinsatz öffnete. Im nächsten Raum, es war die Küche, saà Lisa vor zwei Schalen â einer mit Gummibärchen und einer mit Schokoladenkeksen.
»Hallo, Mama«, sagte sie mampfend.
»Na«, sagte Anne und grüÃte Frau Schimmler, die am Herd stand.
»Grüà Gott, Frau von Rothbach, wir haben ihr halt was zum essen gegeben, weilâs so hungrig war, gell.«
»Loop heiÃe ich«, korrigierte Anne schnell. »Guten Tag, Frau Schimmler, da bin ich Ihnen und Ihrem Mann aber dankbar, dass Sie sich meiner Tochter angenommen haben«, log sie.
»Ja, wie geht es denn dem jungen Herrn von Rothbach?«, fragte die Schimmlerin.
»Das weià ich ehrlich gesagt noch gar nicht, Frau Schimmler, ich bin direkt zu Ihnen gekommen, um nach Lisa zu sehen, ich habe noch gar nicht mit ihm gesprochen.«
»Dass er einen Gehirntumor hat, hat er halt gâsagt, gell. Das ist schlimm, gell.«
»Ja, wenn es sich bewahrheiten sollte«, meinte Anne. »Aber bislang hat er sich das doch Gott sei Dank meist nur eingebildet.«
»So etwas bildet man sich doch nicht ein!«, wandte Herr Schimmler ein und runzelte streng die Stirn. »Sie sollten schon zu ihm
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