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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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unmittelbar an der Hauswand liegenden Biergartens noch nicht erreicht, als Anne von einem ziemlich betrunkenen Trupp junger Männer in gelben T -Shirts umringt wurde.
    Zuerst dachte Anne, es handle sich um Bundeswehrausscheider, doch die lallenden Biernasen erklärten ihr euphorisch, dass es sich um den Junggesellenabschied vom Toni handle, und wie dabei üblich habe der Bräutigam eine Aufgabe zu lösen.
    Anne wollte weitergehen, aber die Jungs ließen sie nicht durch. Stattdessen bekam sie zu hören, dass sie dem Toni helfen müsse. Anne blieb widerwillig stehen und erfuhr, dass er es schaffen müsse, mit achtundzwanzig Frauen fotografiert zu werden, die wie Filmstars aussähen, denn seine Zukünftige sei achtundzwanzig Jahre alt. Anne erschloss sich der Zusammenhang zwischen dem Alter der angehenden Ehefrau und der Anzahl der abzulichtenden Frauen nicht ganz, schon gar nicht der Querverweis zur Filmkultur; auch ärgerte sie, dass sie und Sepp sich aus Gründen der Tarnung dazu entschlossen hatten, diesen heiklen Ermittlungsauftrag ohne Uniform anzugehen, doch ehe sie noch fliehen konnte, erläuterte der Dickste der Mittzwanziger ihr mit generalstabsmäßiger Stimme, dass der Toni die Filmstarfrau natürlich auch busseln müsst, weil schließlich sei es ein Junggesellenabend, und der Toni sollt’ ja wenigstens heut noch eine Gaudi haben, wo er doch ab morgen quasi weg vom Fenster sei. Anne spielte kurz mit dem Gedanken, sich als des Deutschen nicht mächtige Holländerin auszugeben, doch diese Jungs waren bereits in einem derart desolaten Zustand, dass sie garantiert vor keiner Grenze haltgemacht hätten, geschweige denn vor einer Sprachbarriere.
    Â»Wer von euch ist denn der Toni?«, fragte sie daher betont sachlich. Unter Johlen – die Männer riefen »Da To-ni knutscht die Angelina! Da To-ni knutscht die Angelina!« – öffnete sich die Mauer der besoffenen Männer, und Anne bekam einen völlig durchnässten Hänfling zu Gesicht. Das also war der Toni, der sich augenscheinlich gerade von einem Bad im doch noch recht frühlingsfrischen Tegernsee erholte. An einem seiner weißen, spärlich behaarten Beine hing an einer schmiedeeisernen Kette ein grober Holzklotz.
    Â»Auf geht’s Toni, pack’s!«, schrie der Dicke und zückte seine Kamera, während die anderen ihre Bierkrüge erhoben und den Toten-Hosen-Song »Eisgekühlter Bommerlunder« anstimmten.
    Anne Loop spürte die Andeutung eines Brechreizes. Wo, verflucht noch mal, war der Sepp? Der musste sich doch mit solchen Bräuchen auskennen. Musste sie da mitmachen? Diesen Toni küssen?
    Â»Einen Moment«, rief Anne so bestimmt, dass die besoffenen Kerle bis auf einige herzhafte Rülpser verstummten. »Ich bin mit einem Kollegen da. Wir haben eine wichtige Sache zu erledigen. Kann ich erst mal fragen, ob eure Wünsche überhaupt in unseren Zeitplan passen?« Weil sich diese Bitte für die Gelbhemden logisch anhörte und Anne im Übrigen ein außergewöhnlich schönes Exemplar von Frau war, öffnete sich der Ring, und der Dicke stimmte den Ruf »An-ge-lina, die ist a Supabraut, An-ge-lina, die ist a Supabraut!« an.
    Schnell fragte Anne, ohne dass es Toni und seine Freunde hören konnten, den gestresst aussehenden Sepp Kastner, was sie denn machen solle.
    Â»Ich kann ja einschreiten«, meinte dieser übereifrig. »Soll ich mich als dein Mann ausgeben?«
    Anne verdrehte die Augen, fällte eine Entscheidung, ging zum Bräutigam, forderte den Dicken auf, seine Kamera bereitzuhalten, berührte kurz Tonis Wange, die daraufhin noch röter erglühte als vorher, und verließ mit einem knappen »Ciao« die Szenerie.
    Während sie mit Sepp Kastner im Schlepptau das Wirtshaus betrat, hörte sie noch, wie die Meute zur Melodie des Biene-Maja-Lieds »Es war ’ne sexy flotte Biene, die hieß Angelina, eine Stute zum Knutschen, Angeliiiina …« sang.
    Im Bräustüberl war zum Glück wegen des schönen Wetters wenig los, lediglich ein Teil der rund zwanzig Stammtische und einige andere Tische waren belegt. Aber wie Anne erwartet hatte, saßen versammelt am einstigen Fichtner-Stammtisch der Bootsführer Klaus Amend, der Fischer Wastl Hörwangl und der Bauer Pius Nagel. Als die drei Anne und Sepp Kastner sahen, glaubte Anne zu hören, dass Hörwangl den anderen beiden noch etwas

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