Tegernseer Seilschaften
Lust.
»Aber warum denn nicht?«
»Weil!«, sagte Lisa und schwieg. Anne fasste ihrer Tochter an die Stirn, um zu sehen, ob sie fiebrig war.
»WeiÃt du, das geht gerade heute überhaupt nicht, dass du zu Hause bleibst, weil Bernhard nicht da ist und ich eine ganz wichtige Durchsuchung machen muss.«
»Was für eine Durchsuchung«, fragte Lisa trotzig.
»Einen groÃen alten Bauernhof müssen wir durchsuchen, der liegt genau auf der anderen Seite des Sees.« Anne zeigte durchs Wohnzimmerfenster schräg hinüber nach Wiessee.
Lisa, grimmig: »Und warum musst du den durchsuchen?«
»Weil da jemand eingebrochen ist, und wir herausfinden müssen, wer es war.«
»Räuber?«
»Einbrecher. So, und jetzt machen wir uns fertig. Magst du ein Marmeladenbrot?«
»Wo ist Bernhard?«, wollte das Mädchen wissen.
Sehr darauf konzentriert, ihre eigene Ratlosigkeit wenigstens nicht durch den Tonfall ihrer Stimme zu offenbaren, meinte Anne, dass sie das auch nicht wisse, dass er aber sicher bald wiederkomme.
»Darf Bernhard einfach so abhauen, ohne zu sagen, wohin er geht?« Lisa runzelte die Stirn.
»Das ist eine gute Frage«, sagte Anne und dachte nach. »Nun, Bernhard ist unser Freund. Als Freund â¦Â«
Lisa wartete nicht, bis ihre Mutter die Ausführungen beendet hatte, sondern überfiel sie mit der Frage: »Warum heiratet ihr eigentlich nicht?«
»Das fragst du mich zum ersten Mal«, sagte Anne verdutzt.
»Ja, weil im Kindergarten haben die mich gefragt, ob Bernhard mein Papa ist, da habe ich gesagt âºJaâ¹, aber da hat die Rosa gesagt, dass ihre Mutter gesagt hat, dass das nicht stimmt, weil ihr nicht verheiratet seid. Wo ist eigentlich mein Papa?«
»Ach Lisa, das habe ich dir doch schon so oft erklärt, dein Papa ist weggegangen, als du noch ganz klein warst.«
»Warum?« Das Kind sah sie mit groÃen, nach einer Erklärung verlangenden Augen an.
Anne musste gegen eine Welle von Tränen kämpfen. »Weil er uns nicht haben wollte.« Schnell schob sie hinterher: »Aber jetzt haben wir ja Bernhard«, bemerkte aber im selben Augenblick, dass das ja auch nicht stimmte, denn Bernhard war sonst wo. »Also, komm, es ist schon so spät, wir ziehen uns jetzt ganz schnell an. Du kannst das, glaube ich, schon selbst, oder? Und dann lassen wir das Frühstück heute ausfallen und gehen in die Bäckerei. Und dort darfst du dir ausnahmsweise was SüÃes zum Frühstück aussuchen. Und ich bekomme einen Kaffee. Magst du ein Kleid anziehen?«
Nachdem sie Lisa im Kindergarten abgeliefert hatte, schwang sich Anne auf ihr Mountainbike und radelte los, so schnell es ging. Sie wählte die Südroute über Rottach-Egern, und als sie die Passage am See erreicht hatte, war sie froh, dass es mit einem Mal zu schütten begann wie aus Kübeln, so fielen wenigstens die Tränen nicht auf, die ihr über die Wangen liefen. Irgendwie hatte der Regen auch etwas Reinigendes. Und die Regentropfen, die auf den See prasselten wie kleine Edelsteine, vermittelten Lebendigkeit und Fröhlichkeit. Kurz vor Bad Wiessee hatte sie sich wieder im Griff. Und in der Dienststelle merkte nicht einmal der einfühlsame Sepp Kastner, dass Anne Loops Morgen nicht ganz reibungslos verlaufen war.
In der Umkleide im Keller der Polizeiinspektion zog sich Anne trockene Kleider an und ging nach oben, um ihrem Chef Nonnenmacher einen guten Morgen zu wünschen. Der begrüÃte sie mit einem »Pfundiger Sommer, das«, und Anne spürte gleich, dass seine Laune eher nicht gut war. Nonnenmacher erklärte, dass die Bürgermeister von Tegernsee und Wiessee soeben kurz nacheinander angerufen und gefragt hätten, ob man denn nun endlich ein Ermittlungsergebnis zum Einbruch in den Grundnerhof habe, einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte, weil es ein ungutes Gerede gebe, sogar Prominenz habe sich schon zu Wort gemeldet und gefragt, ob der Tegernsee denn eigentlich noch sicher sei oder ob man seine Anwesen insgesamt aufrüsten müsse, wach- und alarmtechnisch. Ob die Polizei sich eigentlich in der Lage sehe, die Sicherheit der Menschen im Tal zu gewährleisten, und und und.
»Sind die Ergebnisse aus Miesbach schon gekommen?«, fragte Anne, ohne auf die Ausführungen ihres Chefs einzugehen.
»Nein, die Kollegen von der Kripo nehmen uns ja auch gar nicht ernst«, erwiderte
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