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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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andere, ein braunhaariger Jungspund mit blonden Strähnchen im Haar, bekleidet mit weißen Slippers, weißer Hose, weißem T -Shirt und mit wahrscheinlich teurer, aber, wie Nonnenmacher fand, lächerlich riesiger Sonnenbrille, wartete vergeblich auf den Handschlag.
    Anne hielt sich im Hintergrund, weil ihr nicht klar war, wieso Nonnenmacher sie überhaupt mitgenommen hatte.
    Â»Was gibt’s denn?«, fragte dieser nun seinen Untergebenen.
    Â»Der junge Mann hier – wie war noch der Name?«
    Â»Armin Müller-Bartholdy«, antwortete der Weißgekleidete mit überdeutlicher Aussprache.
    Â»Also, der Herr Müller«, fuhr Nonnenmachers Mitarbeiter fort, »der wo übrigens aus Hamburg kommt, meint, dass der Silbertaler Erwin ihn genötigt hat mit seinem Traktor.«
    Â»Müller-Bartholdy«, sagte dieser, »nicht nur Müller. In der Tat verhält es sich so, dass dieser Herr hier vor mir mit seinem Traktor samt Heuanhänger fuhr, und immer, wenn ich zum Überholen ansetzte, scherte er mit seinem Gefährt aus, sodass ich den Überholvorgang wieder abbrechen musste. Das tat er mehrere Male, was ich durchaus als bedrohlich empfand. Da er mich an meiner freien Fahrt hinderte, erfüllt dies aus meiner Sicht ganz klar den Tatbestand der Nötigung.«
    Â»Stimmt das, Erwin?«, fragte Nonnenmacher streng.
    Der lange Silbertaler, den Anne auf mindestens achtundachtzig schätzte, runzelte sein aus unzähligen Falten bestehendes, braun gegerbtes Gesicht und meinte: »Ja also so ganz kann man das nicht sagen, gell.«
    Â»Sondern?«
    Â»Ich glaube, dass der junge Mann halt vielleicht immer grad’ Pech g’habt hat, wenn er überholen hat wollen.«
    Â»Pech gehabt!«, schnaubte der Cabriofahrer.
    Â»Na ja, Herr Silbertaler«, schaltete sich Anne nun ein, um die Emotionen etwas zu bremsen, denn wozu hätte Nonnenmacher sie sonst mitgenommen? »Sind Sie nun mit Ihrem Traktor ausgeschert oder nicht?«
    Â»Es kann schon sein, junges Fräulein, dass gerade dann, wenn der junge Herr Sportwagenfahrer mich hat überholen wollen, ich mit meinem Traktor ein Ausweichmanöver hab’ machen müssen.«
    Â»Ein Ausweichmanöver?«, fragte Anne ungläubig.
    Â»Ja, wegen einem Schlagloch zum Beispiel«, erwiderte Silbertaler durchaus ernst. »Aber wenn das so war, dann war das natürlich reiner Zufall und niemals Absicht.«
    Müller-Bartholdy schüttelte aufgebracht den Kopf und sagte schnaubend: »Also so viele Schlaglöcher gibt’s ja gar nicht auf der Straße, die um den See führt.«
    Â»Ja, vielleicht hab’ ich auch einmal wegen einer Mücke einen Ruckler machen müssen«, entgegnete Silbertaler immer noch bierernst. Auch Nonnenmacher behielt seine Gesichtszüge unter Kontrolle.
    Â»Es gibt jetzt ja doch schon wieder einige Mücken, weil’s vom See her so feuchtwarm herdrückt«, erklärte der Bauer. »Und da hat der Hänger wenig Toleranz. Wenn ich jetzt, nur als Beispiel, wegen einer Mücke mit dem Traktor so einen leichten Schlenkerer mach’«, Silbertaler deutete eine abrupte Lenkbewegung an, »dann wirkt sich das natürlich auf den Hänger gewaltig aus. Das kann der junge Herr Rennfahrer durchaus vielleicht zum spüren bekommen haben, gell.«
    Â»Eine Unverschämtheit!«, schimpfte Müller-Bartholdy, der auch für Annes Begriffe, die als Rheinländerin am Tegernsee sprachlich natürlich glatt als Preußin durchging, ein sehr reines Hochdeutsch erklingen ließ. Aus ihrer Sicht war diese ganze Angelegenheit völlig blödsinnig, aber wie sollte man mit einer solchen Sache verfahren?
    Nonnenmacher bemerkte, dass Anne nicht weiterwusste, und fragte deshalb den Cabriopreußen nicht gerade freundlich: »Und, was wollen’s jetzt eigentlich?«
    Â»Dass der Herr hier eine angemessene Strafe wegen Nötigung im Straßenverkehr erhält. Eingeräumt hat er den Tatbestand ja.«
    Â»Na, also eingeräumt hab’ ich gar nix, gell, ich bin einfach bloß mit mei’m Hänger aufs Feld gefahren. Und eine Strafe, das geht gar nicht, weil eine Strafe tät’ mich ja vollends ruinieren«, stöhnte der alte Bauer völlig übertrieben auf. »Ich bin ja schon zweiundneunzig.«
    Nonnenmacher dachte eine Weile nach, dann polterte er: »Ja Herrschaftszeiten, können mir das nicht anders lösen? Der

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