Tegernseer Seilschaften
murmelte er noch irgendetwas von »vielleicht im Himmel«.
»Haben Sie die Kammerjägersache vielleicht schon am Laufen gehabt, als der Ferdinand Fichtner noch lebte?« Diese Frage, das sah Anne gleich, bewirkte etwas im Bauern. Er hatte sich in seinem Netz verfangen.
»Nein, nein«, versuchte er noch abzuwiegeln. »Das haben mir uns erst später ausgedacht.«
»Aber eben sagten Sie, dass Sie die Kammerjägersache schon länger verfolgt hatten. Wie lange genau?«
»Ach, das weià ich nicht, aber das hat nix mit dem Tod vom Ferdl zum tun, wenn Sie darauf hinauswollen. Damit hat das nix zum tun. Ich weià nicht, warum der Ferdl sich umâbracht hat.«
»Könnte es nicht sein«, fasste Anne nach, »dass der Herr Fichtner auch Geld verloren hat mit der Geldanlage von Kürschners Bank und dass er sich deshalb das Leben nahm?«
»Das weià ich nicht«, antwortete Nagel kurz. Er habe jetzt auch keine Zeit mehr, weil er Zäune ausbessern müsse. Die Kühe müssten längst raus auf die Weide. Und heute sei das Wetter noch gut, morgen solle es regnen.
In der Dienststelle liefen sie Nonnenmacher in die Arme. Der sparte sich jegliche Bemerkung zu Lisas Anwesenheit, aber an seinem Blick spürte Anne, dass er es allmählich nicht mehr in Ordnung fand, dass das Mädchen sich dauernd in der Inspektion aufhielt.
»Die Frau Gsell hat für Sie angerufen, Frau Loop, sie hättâ da noch was für Sie. Mir wolltâ sie nicht sagen, was es ist. Wahrscheinlich eine Frauensache.«
Anne merkte, dass er es unmöglich fand, dass eine Zeugin ihm, dem Dienststellenleiter, Informationen vorenthalten hatte und nur ihr geben wollte. Waren alle Männer Gockel? Jedenfalls die meisten. Bernhard war nicht so, aber dafür lieà er sie hängen. Wäre sie mit einem Gockel glücklicher?
Nach einem kurzen Telefonat mit Elisabeth Gsell jubelte Anne innerlich, denn die Haushälterin hatte tatsächlich noch einen abgerissenen Zettel gefunden, der zu jenem mit der Kammerjägerunterschrift passen konnte.
»Sepp, wir müssen noch mal zum Grundnerhof. Kommst du mit?«
Erneut setzte sich das kuriose Trio, Anne, Lisa, Sepp Kastner, in Bewegung.
Was sie nicht mehr hörten, war, dass der Diensthabende an der Pforte seinem Kollegen im Dienstgruppenleiterraum zurief: »Und sie ermitteln wieder â die Kindergarten-Cops!« Alle Anwesenden lachten schallend.
Elisabeth Gsell trug heute ein dunkelblaues Kostüm, das vom Schnitt her an die Dienstuniformen der Stewardessen in den Sechzigerjahren erinnerte. Sie sah hübsch aus. Und sie war sehr aufgeregt. Das hier habe sie gefunden â sie zeigte Anne das Blatt in ihren Händen. Sie habe dafür aber ganz schön suchen müssen. Im Sekretär von Herrn Kürschner habe sie es gefunden, in einem Geheimfach.
Die Polizistin sah sich den Zettel genauer an. Er trug den Werbeaufdruck der Private LogicInvest Bank.
»Ist das die Bank von Herrn Kürschner?«, fragte Anne die Haushälterin, was diese heftig nickend bestätigte. Aber, so die Haushälterin, das Entscheidende sei doch die Brutalität, die aus dem Brief spreche.
»Diese Unholde haben dem Herrn Kürschner nach dem Leben getrachtet!«
Anne hatte zum Abgleich den Schnipsel mit der Kammerjägerunterschrift mitgenommen. Sowohl die Abrisskante als auch die Handschrift stimmten überein. Auf dem Zettel stand folgender Text:
Sehr geehrter Herr Kürschner,
mir sinds leid. Das Geld (1  Million!) muss jetzt her. Entgültig! Diese Warnung ist die lezte. Nächstes mal tun wir keine Milch mehr in ihr Schwimmbad, sondern Blut!!!!
»Das ist doch Erpressung, die reinste Erpressung!«, regte sich Elisabeth Gsell auf. »Und wenn man das schlechte Deutsch liest, ist auch klar, woher diese Menschen kommen.«
Anne sah die Haushälterin erstaunt an. Diese bemerkte den Blick und schob erklärend hinterher: »Na ja, von der Russenmafia halt, oder? Kein Deutsch können, aber Deutsche umbringen, so schautâs doch aus.«
Im Auto beklagte sich Lisa, dass sie hungrig sei. Anne gab ihr einen Fruchtriegel, den sie in weiser Voraussicht eingesteckt hatte.
»Den mag ich aber nicht, ich mag was richtiges SüÃes«, beschwerte sich die Fünfjährige.
»Ein Fruchtriegel ist was SüÃes«, sagte Anne bestimmt. Dann wolle sie lieber gar nichts essen, kam es von ihrer Tochter
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