Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
halben Stunde hatte sich Samira eine große Blase am Fuß gerieben, der Schweiß lief in Strömen ihr Gesicht hinunter und verwischte ihr sorgsam aufgetragenes Make-up. Immer wieder wischte sie mit dem Arm über ihr Gesicht. Als sie nach etwa einer Stunde Fußmarsch endlich vor der „Chameleon Agency“ ankam, war sie von Staub bedeckt, Blut klebte an ihrem Fuß, und ihr Shirt war vom Schweiß völlig durchnässt. Wohl alles andere als das perfekte Aussehen für ein Vorstellungsgespräch als Model.
Der Portier stand wie am gestrigen Tag unbeweglich vor der Tür der Agentur. Doch bevor Samira nach Diana Washington fragte, setzte sie sich für ein paar Minuten im Schatten einer Palme auf ein kleines Rasenstück vor dem Haus. Mit der Hand fächerte sie sich Luft zu, bis sie sich langsam wieder abkühlte. Als ihr Shirt von der leichten Brise ein wenig getrocknet war, stand sie auf und ging zur Tür. Dieses Mal verwehrte der Portier Samira den Eintritt nicht, sondern rief sofort die Chefin an.
Diana Washington lächelte freundlich, als sie Samira sah. Sie gab auch keinen Kommentar darüber ab, dass die Deutsche so aussah, als hätte sie gerade einen Dauerlauf durch die Hitze der Stadt gemacht.
„Hat sich mit dem Club alles geklärt?“, fragte sie interessiert.
Samira schüttelte den Kopf. „Leider konnte ich mit niemandem sprechen, niemand hat auf meine Anrufe reagiert. Ich möchte daher gern auf Ihr Angebot zurückkommen.“
Sie brachte diese Sätze fast fließend heraus, da sie auf dem Weg zur Agentur genügend Zeit gehabt hatte, sie zu üben. Obwohl die Grammatik durchweg etwas fragwürdig war, verstand die Chefin sie.
„Ich hatte gesagt, wir würden eine Möglichkeit finden, dich für ein Jahr unterzubringen. Ich werde sehen, was ich für dich tun kann.“
Samira legte bittend den Kopf schief. „Ich möchte gern Model werden, auch ohne Wettbewerbsgewinn und die Unterstützung aus Berlin. Ich möchte es gerne auf eigene Faust versuchen. Wenn Sie nur den kleinsten Job für mich haben, wäre ich Ihnen sehr dankbar.“
Diana Washington zog die Augenbrauen nach oben. „Du weißt, dass jeden Tag Hunderte Mädchen wie du nach Los Angeles oder New York kommen, um Model zu werden? Das Geschäft ist knallhart, wenn du nicht aufpasst, wirst du ausgenutzt und ausgebeutet, bis du nicht mehr kannst. Niemanden interessiert es, ob du Hunger hast, wenn du schlank sein musst. Keiner schert sich um deine Gefühle, wenn du in die Kamera lächeln musst. Ist dir das klar?“
Samira nickte. „Ich denke schon.“
Diana Washington musterte sie erneut. „Wir sind eine seriöse Agentur, wir legen Wert darauf, gut ausgebildete Frauen und Mädchen zu den Shootings und Modenschauen zu schicken, du bist noch nicht soweit. Daher kann ich dich nicht als Model unter Vertrag nehmen, und eine Ausbildung für Anfängerinnen bieten wir in diesem Sinne nicht an.“
Als sie Samiras enttäuschtes Gesicht sah, deutete sie auf einen leeren Stuhl an einem winzigen Schreibtisch direkt neben der Tür.
„Was ich dir offerieren kann, ist eine Art bezahltes Praktikum in unserer Agentur. Du würdest unsere Agenten zu Shootings begleiten, Models betreuen, mal ein Hotel buchen, Make-up oder Haarbürsten besorgen und hin und wieder auch Kaffee kochen. Du wirst nicht reich dabei, aber du könntest jede Menge über das Modelbusiness lernen. Wäre das vielleicht was für dich?"
Samira nickte lächelnd. Es war nicht der erhoffte Traumjob, aber ein Schritt in die richtige Richtung.
„Wann kann ich anfangen?“
VIII
Felix Altmühl verstand die Welt nicht mehr. Da hatten ihn die Rettungskräfte im Rettungswagen mit Blaulicht in die Notaufnahme gebracht, unterwegs seinen Blutdruck gemessen, die Elektroden für das EKG angelegt, ihm etwas zur Beruhigung gegeben und versichert, dass im Krankenhaus alles nur Mögliche für ihn getan werde – und nun wollte ihn der Arzt einfach nach Hause schicken, als ob nichts gewesen wäre? Er konnte es nicht fassen. Wenn er sich nicht so schwach und hilflos fühlen würde, er hätte dem Wald- und Wiesenarzt seine Empörung lauthals ins Gesicht geschrien.
„Das ist nicht notwendig, Sie über Nacht hierzubehalten. Das CT hat nichts ergeben, weder Anzeichen eines Blutgerinnsels im Kopf noch sonst eine Auffälligkeit. Ihnen fehlt nichts. Im Gegenteil, für Ihr Alter sind Ihre Werte unglaublich gut. Die wünscht sich so mancher Vierzigjährige.“
Der diensthabende Arzt in der Notaufnahme klopfte dem Patienten
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