Tempelhyänen
Garrett. Eine Zinstilgung auf seine Schuld. Ein Abschlag, den er an dem Tag gegenrechnen würde, wenn ich die Hauptschuld einlöste.
Ich war wie betäubt, konfrontiert mit Lebewesen, die absolut kaltblütig ausgelöscht worden waren, ohne Wut, ohne Bösartigkeit und ohne jedes Mitleid. Es ist gespenstisch, weil der Tod leidenschaftslos daherkommt, unpersönlich, als würde man zufällig ertrinken.
Zip – das Spiel ist aus.
Die Schleife war Sattlers Markenzeichen.
Ich sah vor meinem inneren Auge, wie Dattel Morpheus’ Nachricht an Sattler weitergab. Vor mir spielte sich die Szene ab, wie Sattler es Kain sagte. Und ich konnte mir vorstellen, daß Kain sich derartig aufregte, daß er womöglich das Handtuch auf seinem Schoß zurechtzupfte. »Nehmt euch der Sache an«, hatte Kain vermutlich gesagt. Und weiter: »Auf den Müll mit dem Fisch. Er stinkt.« Natürlich würde Sattler sich der Sache annehmen. Und es sah Beutler ähnlich, daß er mir die Münzen und die Locke einer Leiche brachte.
So sah der Tod in der großen Stadt aus.
Ob Doc und Schneeflöckchen und die anderen jemanden hatten, der um sie trauerte?
Es brachte mich keinen Schritt weiter, wenn ich hier blöde rumstand und um Jungs trauerte, die ihren Tod selbst provoziert hatten. Beutler hätte nicht den ganzen Weg quer durch die Stadt auf sich genommen, wenn er nicht annehmen konnte, ich würde hier was Interessantes rauskriegen.
Am wahrscheinlichsten wohl von demjenigen, den sie am Leben gelassen hatten.
Ich zerrte ihn hoch, Gesicht zur Wand, ohne ihn vom Stuhl loszubinden. Noch wollte ich nicht, daß er mich sah. Dann ging ich um ihn herum, lehnte mich lässig an die Wand und blickte ihm gradewegs in die Augen.
Er erinnerte sich an mich.
»Hast heute deinen Glückstag, was?« Er hatte Beutler und Sattler und die Schakale überlebt, die alles mitgenommen hatten, was nicht niet- und nagelfest war. Ich wartete, bis ich es in seinem Blick erkannte: Er wußte, daß sein Glück zur Neige gegangen war. Dann ließ ich ihn allein.
Ich stöberte herum, bis ich einen Wasserkrug in einer Wohnung im zweiten Stock fand. Die Plünderer waren nicht so weit nach oben gegangen, aus Angst, man könnte ihnen den Rückweg abschneiden. Mit einem kurzen Blick prüfte ich die Straße, bevor ich zu meinem Mann zurückging. Draußen war immer noch alles ruhig.
Ich zeigte dem Chuko den Krug. »Wasser. Dachte, du wärst vielleicht durstig.«
Mit Mühe quetschte er sich eine Träne ab.
Ich löste seinen Knebel und gab ihm einen Schluck Wasser. Dann trat ich zurück und lehnte mich an die Wand. »Denke, du hast mir einiges zu erzählen. Sag die Wahrheit, ohne langes Gefackel. Wenn du mir alles verrätst, lasse ich dich vielleicht laufen. Sie haben dafür gesorgt, daß du während der … Befragung alles verstehen konntest?« Clever formuliert, Garrett. Du Schönschwätzer!
Er nickte. Er war zu Tode verängstigt.
»Fang am Anfang an.«
Seine Auffassung vom Anfang war weit umfassender als meine. Er begann damit, daß Schneeflöckchen das Gebäude übernommen hatte, indem er seine menschliche Mutter auf die Straße setzte. Sie hatte das Mietshaus von seinem Vater geerbt, dessen Familie es besessen hatte, seit die ersten Elfen nach TunFaire eingewandert waren. Das ganze Viertel war schon seit Generationen fest in elfischer Hand. Deshalb war es auch so sauber und ordentlich hier.
»Ich bin eigentlich mehr an dem Teil der Geschichte interessiert, in dem die Vampire anfingen, sich für mich zu interessieren.«
»Kann ich noch was zu trinken bekommen?«
»Verdien’s dir.«
Er seufzte. »Gestern morgen kam ein Mann hierher. Ein Priester. Sagte, sein Name sei Bruder Jerce. Flocke sollte für ihn einen Job erledigen. Er war so eine Art Strohmann, Sie wissen schon, oder? Wollte nicht verraten, wer ihn geschickt hatte. Aber er hatte so viel Geld dabei, daß Schneeflöckchen fast die Augen aus dem Kopf gefallen sind. Er meinte, die Vampire würden alles tun, was er wollte. Selbst als Doc versuchte, es ihm auszureden. Flocke hat vorher noch nie was gegen Docs Rat gemacht. Sie sehen ja, was es ihm eingebracht hat.«
»Sehe ich.« Ich wußte, was es ihm eingebracht hatte. Ich wollte wissen, was er dafür hatte machen müssen.
Die Vampire hatten mich und Magister Peridont im Auftrag des Priesters beobachten sollen. Wenn Peridont zu mir kam, sollten sie mich aus dem Verkehr ziehen. Und zwar für immer. Dafür hatte er ihnen eine fette Prämie versprochen.
Schneeflöckchen nahm
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