Temptation 2: Weil ich dich begehre (German Edition)
Herrschaften haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zu finden.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.«
Mrs Hanson nickte. »Es war eine schreckliche Zeit, sehr, sehr schrecklich. Und es wurde nicht viel besser, als sie Helen schließlich in einer Art Bretterverschlag in Nordfrankreich aufgestöbert haben. Fast elf Jahre waren vergangen. Sie war nicht bei klarem Verstand, hat nur wirres Zeug geredet. Niemand hat aus ihr herausbekommen, was passiert ist. Bis heute ist all das ein einziges großes Rätsel. Und sie hatte Ian bei sich. Er war zehn Jahre alt, wirkte aber wie ein Neunzigjähriger.«
Mrs Hanson gab einen erstickten Laut von sich. Eilig sprang Francesca von ihrem Hocker und trat zu ihr.
»Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht aufregen«, sagte sie, neugierig und zugleich besorgt um die reizende Haushälterin. Sie griff nach einer Schachtel Papiertaschentücher und reichte sie der älteren Dame.
»Schon gut, ich bin ein sentimentales altes Weib«, wiegelte Mrs Hanson ab und zupfte ein Taschentuch aus der Schachtel. »Die meisten Leute würden sagen, dass die Nobles nur meine Dienstherren sind, aber für mich sind sie mehr als das. Sie sind meine Familie. Die einzige, die ich habe.« Schniefend tupfte sie sich die Wangen trocken.
»Mrs Hanson. Was ist hier los?«
Die strenge Männerstimme ließ Francesca zusammenzucken. Sie drehte sich um und sah Ian im Türrahmen stehen.
Mrs Hanson sah sich schuldbewusst um. »Ian, Sie sind ja schon zu Hause.«
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und musterte sie besorgt. Francesca wurde bewusst, dass Mrs Hansons Erklärung über die familiäre Bindung offenbar für beide Seiten galt.
»Es geht mir gut. Bitte, machen Sie sich wegen mir keine Gedanken«, versuchte sie ihn mit einem unbeschwerten Lachen zu beruhigen und warf das Papiertaschentuch in den Müll. »Sie wissen doch, wie rührselig alte Frauen sein können.«
»Ich habe Sie ganz bestimmt noch nie rührselig erlebt«, gab Ian zurück, wandte den Blick von ihr ab und sah Francesca an.
»Kann ich Sie einen Moment sprechen, Francesca? In der Bibliothek, bitte.«
»Natürlich.« Sie hob den Kopf und zwang sich, seinem durchdringenden Blick standzuhalten.
Wenige Minuten später schloss Ian die schwere Walnusstür hinter ihr und kam mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers auf sie zu. Wieso musste sie diesen beherrschten, weltgewandten Mann insgeheim bloß immer mit einem wilden Tier vergleichen?
»Was haben Sie zu Mrs Hanson gesagt?«, wollte er wissen. Sie hatte diese Frage kommen sehen, trotzdem ärgerte sie sich über den unterschwelligen Vorwurf in seiner Stimme.
»Ich habe überhaupt nichts zu ihr gesagt! Wir haben uns nur unterhalten.«
Sein Blick bohrte sich in sie hinein. »Über meine Familie.«
Sie unterdrückte einen erleichterten Seufzer. Allem Anschein nach hatte er lediglich die letzten Fetzen ihres Gesprächs gehört und nicht Mrs Hansons Enthüllungen über seine Mutter. Und über ihn. Etwas sagte ihr, dass es um seine Beherrschung weit weniger gut bestellt wäre, wenn er wüsste, wie freimütig Mrs Hanson über diese Details gesprochen hatte.
»Ja«, räumte sie ein, straffte die Schultern und sah ihm ins Gesicht, auch wenn es sie einige Überwindung kostete. Manchmal hatten seine engelhaften Augen durchaus etwas, das an einen Racheengel denken ließ. Sie kreuzte die Arme vor der Brust. »Ich habe sie nach Ihren Großeltern gefragt.«
»Und deswegen hat sie angefangen zu weinen, ja?«, fragte er mit vor Sarkasmus triefender Stimme.
»Ich weiß nicht, was Mrs Hanson genau zum Weinen gebracht hat«, blaffte sie zurück. »Ich habe sie nicht ausgehorcht, Ian. Wir haben uns nur unterhalten wie zwei ganz normale, zivilisierte Menschen. Vielleicht sollten Sie es ja auch mal versuchen.«
»Wenn Sie etwas über meine Familie wissen wollen, wäre es mir lieber, Sie würden mich selbst fragen.«
»Oh, klar, Sie versorgen mich selbstverständlich mit allen Details, die mich interessieren«, konterte sie ebenso sarkastisch wie er.
Ein Muskel in seiner Wange begann zu zucken. Abrupt trat er hinter den großen, auf Hochglanz polierten Schreibtisch und nahm eine kleine bronzene Pferdestatue, die er nachdenklich zwischen den Fingern hin und her drehte. Mit einer Mischung aus Verärgerung und Nervosität fragte sie sich, ob er seine Hände beschäftigen musste, um nicht auf sie loszugehen. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt, was ihr Gelegenheit gab, ihn in aller Ruhe zu betrachten:
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