Temptation 4: Weil ich dir gehöre (German Edition)
Sie dachte an sein Gesicht zurück, als er das Schlafzimmer an Bord der Maschine verlassen hatte – seine Reue, seine Bestürzung, seine Hoffnungslosigkeit. Sie war zwar überzeugt, dass er ihr mehr anzubieten hatte als Sex, aber er nicht. Und sollte eine Beziehung nicht auf Gegenseitigkeit beruhen? Was nützte es, wenn sie sich ihrer Sache sicher war, er hingegen von Zweifeln zerfressen wurde?
»Außerdem«, fuhr sie fort, »würde eine Trennung voraussetzen, dass wir zusammen waren, was aber nicht der Fall ist. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne.«
»Hast du denn mal versucht, ihn anzurufen?«, fragte Davie und hängte das Kleid wieder in den Schrank zurück.
»Nein. Ich kann seine Wut förmlich spüren. Es ist, als würde sie über den Chicago River herüberwehen, direkt ins Haus.«
»Nein, Wut ist es nicht«, glaubte sie Davie murmeln zu hören.
»Was?«, fragte sie verwirrt.
»Das bildest du dir bloß ein, Ces. Wieso rufst du ihn nicht einfach an?«
»Nein. Es würde nichts ändern.«
Davie seufzte. »Ihr beide seid so unglaublich stur. Du kannst nicht ewig auf Abstand bleiben.«
»Ich bin nicht auf Abstand.«
»Oh, verstehe. Dann hast du also vollends aufgegeben, ja?«
Zum ersten Mal seit Tagen mischte sich so etwas wie Verärgerung unter ihre abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit. Sie warf Davie einen vernichtenden Blick zu, den er mit einem Grinsen quittierte. Er streckte die Hand aus.
»Los, komm schon. Justin und Caden warten. Außerdem haben wir eine Überraschung für dich.«
Sie schnaubte, stand jedoch auf. »Ich will aber nicht aufgemuntert werden. Und selbst wenn es so wäre, weshalb solltet ihr mich dafür ausgerechnet zu einem blöden Single-Event mitschleppen – noch dazu einem todschicken mit Abendkleidung? Du weißt genau, dass ich nichts Anständiges anzuziehen habe. Ich hasse solche Veranstaltungen. Und du hast das früher auch mal getan.«
»Ich habe meine Meinung geändert. Außerdem ist es für einen guten Zweck«, erklärte er, als sie an ihm vorbei ins Badezimmer trat.
»Und was soll der gute Zweck dabei sein? Mein Herz wiederzubeleben, nachdem einer darauf herumgetrampelt hat?«
»Dafür zu sorgen, dass du vor die Tür kommst, würde ich eher sagen«, erwiderte Davie, scheinbar unbeeindruckt von ihrem triefenden Sarkasmus.
Der Edel-Event sollte in einem neuen angesagten Club auf der North Wabash Avenue in der Innenstadt stattfinden. Caden und Justin, in ausgelassener Freitagabendstimmung und unverschämt attraktiv in ihren nagelneuen Smokings, konnten es kaum erwarten, endlich hinzukommen, wohingegen Francesca am liebsten wieder nach Hause gefahren wäre, noch bevor sie sich überhaupt auf den Weg gemacht hatten. Seit sie in ihr Boho-Kleid geschlüpft war, wurde sie von grauenhaften, wunderschönen Erinnerungen an jenen Abend heimgesucht, als sie es das letzte Mal getragen hatte.
Die Frau ist diejenige, die die Kleider trägt, Francesca, nicht umgekehrt. Das ist die erste Lektion, die ich Ihnen beibringen werde.
Sie erschauderte, als Ians raue, leise Stimme in ihrem Gedächtnis widerhallte. Wie sehr sie ihn vermisste. Es war wie eine offene Wunde tief in ihrem Innern; so tief, dass sie sie nicht erreichen konnte, um sie zu heilen.
Davie hatte Mühe, einen Parkplatz zu finden, weshalb sie eine ganze Weile herumkurven mussten. Als sie den Chicago River überquerten, sah sie aus dem Beifahrerfenster auf das Noble Empire Building, das wenige Häuserblocks entfernt in die Höhe ragte.
War sie tatsächlich noch dieselbe naive junge Frau, die an der Cocktailparty zu ihren Ehren teilgenommen hatte, so unzugänglich und verunsichert … und so schroff, aus Angst, jemand könnte es bemerken? Und war es tatsächlich sie gewesen, die einen Fuß in Ians Penthouse gesetzt hatte, wobei jener geheimnisvolle Mann neben ihr einen deutlich größeren Reiz auf sie ausgeübt hatte als seine beeindruckende Kunstsammlung und der Ausblick aus seinem atemberaubenden Domizil?
»Diese Gebäude leben – manche mehr, manche weniger. Ich meine, es hat zumindest den Anschein. So habe ich es immer empfunden. Jedes einzelne hat eine eigene Seele. Vor allem bei Nacht … Ich kann es fühlen.«
»Das weiß ich. Genau deshalb habe ich mich für Ihr Bild entschieden.«
»Also nicht wegen seiner geraden Linien und der präzisen Reproduktion?«
»Nein. Das war nicht der Grund.«
Ihre Augen brannten bei dieser lebhaften Erinnerung. Schon damals hatte er in sie hineingesehen, hatte Dinge in ihr
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