Tender Bar
bist.«
Onkel Charlie sackte nach vorn. Die Bar bebte vor Applaus. Alle schienen zu begreifen, was der Fight Onkel Charlie bedeutete, und zwar nicht, weil sich dadurch seine Zinsen verringerten. Ich küsste ihn auf den Kopf und gratulierte ihm.
»Hagler hat mir leid getan«, sagte Onkel Charlie eine Weile später, nachdem er sich abgetrocknet hatte und wieder Luft bekam. »Er wirkte so traurig. So unmarvellös. Gibt es das Wort überhaupt? Ich darf doch ›unmarvellös‹ sagen, oder?«
»Klar.«
»Wusstest du, dass Hagler seinen Namen offiziell in Marvellous ändern ließ? Warum muss ein Mann, der so viel Geld besitzt, seinen Namen offiziell ändern? Und dann in Marvellous, so was Albernes. Was muss in einen Mann gefahren sein, der so etwas tut, J.R.? Warum kratzt ihn das überhaupt? Was ist denn? Wieso schaust du mich so an?«
33 | VOLONTÄRIN
Onkel Charlie war ein geschickter Cocktail-Mixer, aber er verstand es ebenso gut, seine Gäste zu mischen. Er besaß die unheimliche Gabe, Leute miteinander bekannt zu machen. Er zeigte auf jemanden, dann auf einen anderen, dann stimmte er ein Loblied auf jeden der beiden an, bevor er sie förmlich dazu verdonnerte, Freunde oder Liebende zu werden. Ohne es zu wollen, wirkte er wie ein Katalysator. Bei einer Abendeinladung in West Hampton saß ich neben einem frisch verheirateten Paar. Auf meine Frage, wie sie sich kennen gelernt hatten, erzählten sie von einer »tollen alten Bar«, in der sie sich beide vergeblich um die Aufmerksamkeit des Barkeepers bemüht hätten. Sie fingen an, über den Barkeeper zu plaudern, über seine fast schon komische Schroffheit, vergaßen ihn aber bald und konzentrierten sich aufeinander. Ich fragte, ob der Barkeeper zufällig ein Glatzkopf war, eine dunkle Brille trug und sie aufforderte, sich nicht so aufzuregen. Da sperrten beide gleichzeitig den Mund auf wie Vogelbabys, die gefüttert werden wollen.
Einer von Onkel Charlies großen Kuppelerfolgen waren Don und Dalton. Niemand außer ihm hätte sich den Rechnungsprüfer des Pissoirs und den Bardichter als Gespann vorstellen können. Doch Onkel Charlie bestand darauf, die beiden miteinander bekannt zu machen, weil er jeden auf seine Weise für ein Genie hielt, sie beide Anwälte waren und er eine Vorahnung hatte. Kurze Zeit später beschlossen Don und Dalton, sich geschäftlich zusammenzutun. Ihre neue Kanzlei wurde offiziell mit einer Cocktail-Party im Publicans eröffnet, wo Don und Dalton den Großteil ihrer Anwaltstätigkeit zu verrichten gedachten. Während es für die beiden ein stolzer Abend war, empfand Onkel Charlie ihre geschäftliche Paarung als Triumph, denn er ging davon aus, dass ihm, nachdem er die beiden zusammengebracht hatte, für den Rest seines Lebens kostenloser Rechtsbeistand sicher war.
Die Büroräume von Don und Dalton lagen an der Plandome Road, drei Blocks von der Bar entfernt, direkt über dem Diner von Louie the Greek; außerdem gehörte eine kleine, nach hinten liegende Wohnung dazu. Don und Dalton suchten einen Mieter, hörte ich jemanden an der Theke sagen. Ich fragte Don, ob sie mir die Wohnung vermieten möchten. »Willst du sie dir nicht erst ansehen?«, fragte er. Ich wollte nicht.
Oma flehte mich an zu bleiben. Ihr Auge zuckte ganz fürchterlich, als sie mir die Lage schilderte. Tante Ruth war mit ihren Kindern wieder ausgezogen, in Opas Haus würde es also ruhiger und sauberer sein. Es gäbe jede Menge heißes Wasser. Und wie viel Geld du sparen könntest, sagte sie – die Mieten sind ja so teuer. Außerdem, fügte sie leise hinzu, fände sie meine Nähe angenehm. Ich würde ihr fehlen. Unausgesprochen blieb der andere Grund, warum Oma mich nur ungern gehen ließ, ein sehr trauriger Grund. Sie hatte sich an den Puffer gewöhnt, den ich zwischen ihr und Opa bildete. Ich war ihm zwar nie an die Gurgel gegangen, doch mit zunehmendem Alter verstand ich es, ihn abzulenken, wenn er wieder mal gemein wurde.
Ich erklärte Oma, dass ich gehen musste. Ich brauchte meine Privatsphäre. Was ich ihr nicht sagte, war, dass ich auch Schlaf brauchte. Es zermürbte mich, dass ihr Sohn mich jede zweite Nacht weckte. Ich brauchte ein Bett, das nicht in Onkel Charlies nächtlichem Fluchtweg stand. Und am liebsten hätte ich noch gesagt, brachte es aber nicht über mich: Echte Männer leben nicht bei ihren Großmüttern.
Bob the Cop half mir beim Umzug. Als er in Opas Haus kam, warf er einen kühlen Blick auf das zweihundertjährige Sofa und die
Weitere Kostenlose Bücher