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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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zusammengeklebten Möbel und ich konnte förmlich sehen, wie er dachte: Ich habe schon in besseren Unterkünften als dieser Razzien durchgeführt. Er lud mein Zeug in sein Auto – sechs Bücherkisten, drei Koffer – und fuhr mich die Plandome Road hoch. Don gab uns die Schlüssel für meine neue Bleibe. Zwei winzige Zimmer, ein halbes Bad. Der Teppich war kotbraun, das »Schlafzimmer« lag direkt über dem Grill von Louie the Greek. Der Geruch nach Schweinekoteletts, Lammkeulen, Gyros, Omeletts, überbackenem Käse, Schokoladenkuchen und Pepsi drang wie Dampf durch die Böden. Es muffelte derart, dass Bob the Cop sagte, man könne es förmlich hören.
    Bob the Cop lief hin und her, nahm jede Einzelheit auf, als wäre die Wohnung der Schauplatz eines Mordes. Am hinteren Fenster spähte er durch die dreckige Jalousie. Parkplatz. Müllcontainer. Möwen. Ein Zug donnerte in den Bahnhof nebenan und ließ die Wände zittern. Er schnaubte und sagte: »Vom Feuer in die Traufe.«
    Als Bob the Cop den Männern im Publicans von meiner neuen Junggesellenbude erzählte und ihnen die Position meines Betts beschrieb, zogen sie mich auf und meinten, jetzt fehle mir nur noch ein Mädchen, das bereit sei, auf meinem heißen Ofen zu reiten. Sie hielten mich für genauso geil wie sie es waren. Ich eröffnete ihnen, dass ich einsam war. Ich sehnte mich nach jemandem, mit dem ich lange Spaziergänge machen, Sinatra hören und lesen konnte. Sie sahen mich entsetzt an.
    Ich gestand den Männern, dass ich bis über beide Ohren in eine Volontärin bei der Times verknallt war. Sie erinnerte mich an Sidney. Sie sah zwar nicht wie Sidney aus, verströmte aber die gleiche ätherische Unnahbarkeit, die ich mit Wohlstand verband. Meine Volontärin war mit Sicherheit reich, oder aber ihre Arbeit in der Wirtschaftsredaktion und die tägliche Nähe zu Geschichten über Wohlstand führten dazu, dass sie diesen Eindruck erweckte. Sobald sie jedenfalls mit einem Ausdruck der Langeweile und Verachtung im Gesicht in ihrem langen maßgeschneiderten Rock und einer engen Seidenbluse durch die Redaktion schwebte, hörten alle Volontäre auf, Durchschläge zu trennen, und alle Redakteure (auch einige Redakteurinnen) hörten auf zu lesen, um sie über die Ränder ihrer Bifokalbrillen zu beobachten. Sie zog Parfümschwaden hinter sich her wie ein durchsichtiges rosa Banner, und ich ging oft absichtlich in ihrem Sog, um einen Hauch zu erhaschen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich ihr nähern könnte, und meine Hilflosigkeit und Verwirrung gaben mir zu denken. Meine Probleme mit Frauen, fürchtete ich, rührten von einer Persönlichkeitsstörung, die ich mir selbst als übersteigerte Empathie diagnostizierte. Erzogen von meiner Mutter, umsorgt von Oma, beeinflusst von Sheryl, hatte ich mir den weiblichen Standpunkt zu Eigen gemacht. Alle Frauen, die versucht hatten, einen Mann aus mir zu machen, hatten das Gegenteil erreicht. Und deshalb hatte ich Probleme, mich Frauen zu nähern. Ich mochte sie zu sehr und glich ihnen zu sehr, um sie als Freiwild zu betrachten.
    Statt mir zu versichern, dass dies alles Unsinn war, pflichteten die Männer mir bei. Im Krieg zwischen Männern und Frauen, sagten sie, zeige ich nicht genug Angst vor dem Feind. Entrüstet gab ich zurück, dass ich sehr wohl Angst hätte, sogar viel zu viel, aber sie meinten, ich würde Angst mit Ehrfurcht verwechseln. Außerdem, sagten sie, hätte ich keinen Plan. Ziehe nie ohne Plan in den Krieg. Die meisten Männer in der Bar bedienten sich einer militanten Sprache, wenn sie über romantische Liebe redeten, weil es, sagten sie, einzig darum ginge, etwas zu nehmen, was einem anderen gehörte, und das sei die Grunddynamik einer jeglichen militärischen Aktion. Verführung als Zerstörung. Lagers Ratschläge in Liebesdingen gingen beispielsweise fast immer auf seine Erfahrung in der Bekämpfung des Kommunismus zurück. Bräute sind wie Rote, sagte er. Unergründlich. Rücksichtslos. Arbeiteten auf die gewaltsame Umverteilung deines Geldes hin. Onkel Charlie wiederum fand, die Wikinger, Hunnen und andere primitive Plünderer hätten es richtig gehandhabt. »Du schnappst dir die Ische bei den Haaren und schleppst sie aus der verdammten Redaktion«, sagte er. Ich nahm an, er meinte es metaphorisch. Jedenfalls hoffte ich es. Dalton beschwor mich, eine eher dem Angriff auf Dresden ähnliche Strategie zu wählen und meine Volontärin flächendeckend mit Liebesgedichten zu »bombardieren«. Angeblich hatte

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