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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Weise, als jemand Onkel Charlie eine Kassette mit Walgesängen gab, die er ständig mit voller Lautstärke laufen ließ. Das Kreischen und Schnalzen war derart ohrenzerreißend, dass man hätte meinen können, die Buckelwale schwömmen draußen auf der Plandome Road vorbei und die Vorderfenster der Bar wären Bullaugen. »Ist das nicht liebreizend!«, sagte Onkel Charlie. »Ich darf doch ›liebreizend‹ sagen, oder? Ist es nicht schön, wie sie miteinander kommunizieren?«
    Wir dagegen kommunizierten nicht annähernd so gut miteinander. Die Bar, einst voller meisterhafter Erzähler, war jetzt eine Echokammer langer unangenehmer Schweigephasen, denn es gab nur eines zu sagen und keiner von uns hatte den Mut, es auszusprechen: Alles hatte sich verändert. Steves Tod hatte eine Kettenreaktion von Veränderungen ausgelöst, eine Tatsache, für die wir nicht gewappnet waren. Sein Tod hatte uns auf eine Weise verändert, die wir nicht verstanden, und veränderte die Bar auf eine Weise, die wir nicht verleugnen konnten. Das Lachen wurde schriller, die Gäste weniger. Die Leute kamen nicht mehr ins Publicans, um ihre Probleme zu vergessen oder ihre Traurigkeit zu lindern, denn das Publicans erinnerte sie an den Tod, an Steves Tod, das traurigste Ereignis in der Geschichte Manhassets. Bob the Cop hatte in Frage gestellt, ob die Bar Steves Tod überleben könnte, doch was schon jetzt und für immer verschwunden war, war unsere Vorstellung vom Publicans als Zufluchtsstätte. In der Zeit, die es dauert, bis ein Mann hinfällt, war das Publicans von einer Zufluchtsstätte zu einem Gefängnis geworden, wie das bei Zufluchtsorten nicht selten der Fall ist.
    Je öfter mich diese Gedanken bewegten und beunruhigten, umso mehr trank ich. Für die meisten hatte das Saufgelage nach Steves Beerdigung zwei Tage gedauert, ich aber war noch einen Monat später dabei. Wenn ich auf der Zugfahrt zur Times unter einem weiteren lähmenden Kater litt, ermahnte ich mich, stellte mich in Frage, fühlte mir auf den Zahn. Bin ich ein Trinker? Ich hielt mich nicht dafür. Wenn ich von etwas abhängig war, dann von der Bar. Ein Leben ohne sie konnte ich mir nicht vorstellen. Meine Besuche dort einzustellen war undenkbar. Wohin sollte ich dann gehen? Und wenn ich ginge, wer wäre ich dann? Wer ich war und wo ich war hatte sich miteinander vermischt, und die Vorstellung, alles wegzuwerfen, die Bar und mein Image als JR-in-der-Bar, machte mir entsetzliche Angst. Wenn mich morgens im Zug solche Gedanken quälten, ich dann den ganzen Tag an einem Ort arbeitete, an dem ich gescheitert war und der mir keine Zukunft bot, konnte ich es kaum erwarten, wieder ins Publicans zu kommen und meine ambivalenten Gefühle für die Bar wegzutrinken. Manchmal fing ich schon vorher an, genehmigte mir in der Penn Station ein paar Cocktails und kaufte mir noch zwei oder drei große Dosen Budweiser für die Heimfahrt. Manchmal dämmerte ich schon im Zug weg, verschlief meine Haltestelle und wurde mitten in der Nacht, wenn der Zug in einem Güterbahnhof parkte, von einem Schaffner geweckt. Die Schaffner schüttelten mich an der Schulter und sagten immer das Gleiche: Endstation, Kumpel.
    Ich machte mir nicht mehr vor, dass ich trank, um mich mit Männern zu verbünden oder die Sorgen des Tages zu entschärfen oder an Männerritualen teilzuhaben. Ich trank, um betrunken zu werden. Ich trank, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich trank, wie Steve zum Schluss getrunken hatte, um zu vergessen. An einem kalten Dezemberabend 1989 – ich weiß nicht mehr, ob es ein paar Tage vor oder nach meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag war – trennten mich nur noch ein paar Schluck vom Zustand des Vergessens, als die Bar endlich beschloss, es sei genug. Die Bar hatte jedes Bedürfnis gestillt, das ich jemals hatte, und Bedürfnisse, von denen ich nicht wusste, dass ich sie hatte, und jetzt brauchte ich nur noch eine Sache.
    Ich stand bei Cager und Smelly. General Grant stand hinterm Zapfhahn. Es war gegen drei Uhr morgens, und wir unterhielten uns über den Krieg. Ich erwähnte, dass wir irgendwie oft über den Krieg redeten, selbst wenn wir angeblich über etwas anderes redeten. Cager entgegnete, das sei nur normal, da Krieg nun mal ein großes Thema ist. Das Leben, sagte er, ist Krieg. Eine endlose Folge von Schlachten, Konflikten, Hinterhalten und Scharmützeln mit nur allzu kurzen friedlichen Einlagen. Vielleicht sagte das auch General Grant. Dann sagte Cager etwas über den Nahen Osten,

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