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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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zum äußersten Rand der Klippe, und vor uns lag der Ausblick, den mein Freund beschrieben hatte: Millionen von Lichtern schimmerten unter uns. Das Tal sah aus wie ein stiller See, in dem sich Sterne spiegelten.
    »Verdammt«, sagte Lana.
    Ich öffnete zwei Biere und reichte ihr eins. Ein schwacher Wind wehte ihr die schmutzigblonden Haare vor die Augen, und ich strich sie zurück. Sie beugte sich vor, um mich zu küssen. Ich schloss die Augen. Ihre Unterlippe war voll wie ein Marshmallow. Sie schob mir ihre Zunge in den Mund. Ich öffnete die Augen. Sie öffnete ihre. Ich konnte die Ränder ihrer Kontaktlinsen erkennen, die Mascara-Klümpchen an den Wimpernspitzen. Sie schloss wieder die Augen und küsste mich energischer, presste meinen Mund weiter auf. Ich öffnete den oberen Knopf ihrer Bluse. Kein BH. Unglaublich fest. Ich packte zu und versuchte hinzusehen ohne zu starren. Ich wollte nicht unfein sein. Sie entzog sich und löste den Knoten ihrer Bluse, öffnete die Knöpfe und lud mich geradezu ein zu starren. Sie fasste mir in die Hose. Ich zog ihr die Shorts aus.
    »Wollen wir es wirklich machen?«, fragte sie.
    »Ich hoffe doch.«
    »Dann musst du dir was überziehen.«
    »Ich lass mein Hemd an.«
    »Nein. Ich meine ein Kondom.«
    »Ich hab kein Kondom.«
    »Dann können wir nicht.«
    »Stimmt, klar. Natürlich nicht.« Pause. »Warum nicht?«
    »Willst du, dass ein kleiner JR Junior durch die Gegend stolpert?«
    Ich stand auf. Ich trank einen großen Schluck Löwenbräu, starrte in die Sterne und schalt mich aus. Warum hatte ich bloß nicht an Empfängnisverhütung gedacht? Die Antwort war einfach. Weil ich keine Ahnung von Empfängnisverhütung hatte.
    Lana lag mir zu Füßen, ohne Shorts, ausgestreckt im Sternenlicht wie eine Sonnenbadende. Ihre Beine waren gespreizt, dazwischen glitzerte es. Kein Stern über mir glitzerte heller, und plötzlich schien alles weiter weg als der entfernteste Stern. Wenn ich diesen Augenblick ungenutzt verstreichen ließ, dachte ich, wenn Lana sich anzog und ich sie zum Hornet hinunterführte, würde mich diese Nacht für immer verfolgen und vermutlich mein weiteres Leben bestimmen. Das Mindeste wäre, den Wohnort zu wechseln. Ich wäre nicht fähig, Lana oder meinen Schulkameraden ins Gesicht zu sehen oder jeden Tag am Camelback Mountain vorbeizufahren. Danach wäre Camelback nur noch Mount Virgin, der sich über mich und meine Unfähigkeit, den höchsten Punkt zu erreichen, lustig machte. Ich musste handeln, und zwar schnell, denn Lana sah aus, als könnte sie jede Sekunde aufstehen und ihre Shorts wieder anziehen.
    »Warte hier«, sagte ich.
    »Warten? Wo?«
    Bevor sie noch mehr sagen konnte, tauchte ich über die Klippe und sprintete den Hang hinunter. Da ich in Windeseile nach unten jagte, damit sie nicht protestieren oder mir folgen konnte, schätzte ich den Winkel und die Neigung des Hangs falsch ein und stolperte, dann rollte ich nur noch. Ein Kaktus hielt mich auf, seine Stacheln bohrten sich wie Stricknadeln in meine Knie. Ich schrie auf.
    »Was ist passiert?«, schrie Lana.
    »Nichts!«
    Wahrscheinlich ging sie davon aus, dass ich Kondome im Auto hatte. Ihr wäre sicherlich nie in den Sinn gekommen, was ich wirklich vorhatte. Wenn sie gewusst hätte, dass ich gleich den Hornet anwerfen, mich davonmachen und sie auf einem windigen Berg zurücklassen würde, hätte sie bestimmt geschrien.
    In Scottsdale war nach Mitternacht nichts mehr geöffnet, zumindest nicht 1981. Die Wüste war dunkel, verlassen und bis zum Morgen geschlossen. Meine einzige Hoffnung war ein durchgehend geöffneter Laden. Ich jagte den Höcker hinunter und schwenkte auf die Scottsdale Road ein. Bei jedem verschlossenen Geschäft und jeder dunklen Ladenzeile dachte ich daran aufzugeben. Aber nach fast fünfundzwanzig Kilometern entdeckte ich ein Neonschild. Circle K.
    Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wie ein Kondom aussah. Ich hatte noch nie eins in der Hand gehabt oder eins gesehen oder mit jemandem darüber gesprochen. Ich lief durch die Gänge und forschte nach der Kondom-Abteilung. Ich suchte im Gang mit den Toilettenartikeln. Ich suchte im Gang für Bürobedarf. Ich suchte in der Gefriertruhe. Vielleicht sind Kondome ja verderblich und müssen frisch gehalten werden. Eiskrem, Limonade, Milch – keine Kondome.
    Schließlich wurde mir klar, dass Kondome, ähnlich wie Pornos und Zigaretten, zu den unanständigen Dingen gehörten und deshalb hinterm Ladentisch aufbewahrt werden mussten.

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