Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm
Nervosität auf ihre Leute übergriff, wie man ängstliche Blicke wechselte und wie für einen winzigen Moment die Arbeit im mobilen Gefechtszentrum zum Erliegen kam. Das rund acht Meter lange und drei Meter breite Gefährt ruhte auf mächtigen Gleisketten und war dick gepanzert. Seitliche Stummelflügel machten aus der Station eine Art flugunfähigen Gleiter, denn an diesen hingen nur Boden-Boden-Raketen. Eine flache Kuppel auf dem Dach der Station enthielt eine Powergatling neuester Baureihe, und es gab zwei schwenkbare, großkalibrige automatische Kanonen. Es war nicht die unmittelbare Aufgabe des Panzers, in Kämpfe einzugreifen, er war dafür gedacht, auf dem Schlachtfeld hin und her zu eilen, um Kommandoentscheidungen zu ermöglichen, auch dann, wenn die üblichen Kommunikationswege nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr funktionierten.
Der Mann am Funk, Caporal Mertensen, hatte immer noch eine ganz bleiche Gesichtsfarbe, sodass Tooma beschloss, ihn zu beschäftigen.
»Caporal, geben Sie mir eine anständige Meldung, bitte.«
Mertensen raffte sich auf und las vom Bildschirm ab. »Nachricht des Flottenkommandos. Spähschiffe und Fernortung bestätigen, dass die erwartete Invasionsflotte vor zwei Stunden Systemzeit Kurs auf die Erde sowie auf den Mars genommen hat. Alle Einheiten haben sich zum Schutz in den Orbit Terras sowie des Mars zurückzuziehen. Bodentruppen sind in Alarmbereitschaft zu versetzen. Nach derzeitigen Schätzungen ist mit einem Durchbruch der Invasoren an mehreren Stellen zu rechnen. Der Feind muss daran gehindert werden, Brückenköpfe zu errichten. Ende der Meldung.«
Tooma hatte gegen Ende der Rezitation begonnen, sacht den Kopf zu schütteln. Mertensen und die anderen Besatzungsmitglieder der Station sahen sie erwartungsvoll an, als müsse sie die kargen Worte der Meldung nun für sie interpretieren. Sie tat ihnen diesen Gefallen nicht.
»Fein, dann wissen wir ja, woran wir sind. Wenn die Tentakel ihre Hausaufgaben einigermaßen gemacht haben, dann wird einer dieser Brückenköpfe in unserer Nähe errichtet werden. Hoffen wir, dass dann auch noch was von den flexiblen Einsatzkräften für uns übrig ist.«
Da niemand wissen konnte, nach welchen Kriterien die Aliens ihre Landeplätze auswählen würden – und man auch nicht vorhersehen konnte, welche Landeversuche die Verteidiger erfolgreich würden vereiteln können –, hatte man sich notgedrungen darauf beschränkt, ganz wenige Orte von zentraler taktischer Bedeutung mit stationären Einheiten zu bestücken – wie etwa dieses Hauptquartier. Die restlichen Verbände waren mit Langstreckengleitern oder, wo die Kapazitäten nicht ausreichend waren, zumindest mit Bodenfahrzeugen ausgerüstet worden und würden dort zum Einsatz kommen, wo die Tentakel landeten. Alle hofften, dass die Aliens sich auf einige wenige Brückenköpfe konzentrieren würden, sodass es möglich wäre, massiert darauf zu antworten.
Rahel glaubte keine Sekunde daran. Was die großen Strategen im Planungsstab immer noch nicht begriffen hatten, war, dass die Invasoren in mancherlei Hinsicht wie Pflanzen agierten, die sie offenbar zumindest zum Teil auch waren. Sie würden versuchen, ihre Sporen so weit wie möglich zu verteilen, um das Überleben ihrer Spezies zu sichern. Rahel rechnete durchaus mit einigen großen und stark unterstützten Landungen an wichtigen strategischen Punkten – die Tentakel waren schließlich nicht unintelligent. Gleichzeitig würden sie aber überall viele kleine Landungsversuche starten. Ein paar Kompanien Tentakel, dazu ein paar Gärtner, Basiskomponenten für ein Gewächshaus – ebenso schnell, wie sich eine Gruppe Aliens in irgendeiner ländlichen Gegend etabliert hätte, würde man die Bewohner zusammentreiben, unter Drogen setzen und die Gärtner würden sogleich an ihr schauriges Werk gehen. Unzählige kleine Gewächshäuser, die rasend schnell für den geeigneten Nachwuchs sorgen würden, und viele davon unbeirrt durch die terranischen Militärs, die ganz damit beschäftigt sein würden, die großen Brückenköpfe anzugreifen.
Also blieben nur die Milizen, die bewaffneten Zivilisten, die Polizei … und Rahel ahnte, dass diese letztlich an dieser Bedrohung scheitern würden.
Andererseits gab es immer Hoffnung auf ein Wunder.
Und so zwang sich auch Capitaine Rahel Tooma zu einem zuversichtlichen Lächeln, von dem sie hoffte, dass es nicht verkrampft aussah. Sie wusste, was Zivilisten in einem Kampf konnten oder nicht
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