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Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm

Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm

Titel: Tentakel-Trilogie 3: Tentakelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Reproduktionsprozess verankert waren. Dennoch hatte es eine seltsame Faszination, dieser gut geölten und doch so fremdartig wirkenden Maschinerie dabei zuzusehen, wie sie aus einem irdischen Habitat in kurzer Zeit eine ganz andere Welt zu formen begann. Dort, wo die irdische Technik genutzt werden konnte – wie etwa bei der Energieversorgung oder der Lebenserhaltung –, wurde sie mit anderen Kontrollkonsolen ergänzt, sonst aber, zumindest bis auf Weiteres, unberührt gelassen. Dort, wo Tentakeltechnik stärker zum Einsatz kam, rissen die Aliens bedenkenlos Anlagen aus der Wand und ersetzten sie mit eigenen Modulen, die sie anschließend mit wenig Sinn für Ästhetik verkleideten.
    Nein, da musste sich Frazier doch korrigieren.
    Der Tentakelsinn für Ästhetik war ein ganz anderer als der menschliche, soweit man da überhaupt von einem gemeinsamen Nenner ausgehen konnte. Es war aber keinesfalls so, dass die Aliens nur seelenlose Roboter waren, die keinen Wert auf eine gefällige Lebensumgebung legten. Sicher, die unteren Hierarchien und Funktionen waren da anspruchslos. Doch viele der Gegenstände, die in die Mannschaftsquartiere geschleppt wurden, und die Tatsache, dass dort viele höher einzustufende Aliens zu sehen waren, wiesen darauf hin, dass mit größerer Individualität und Autorität auch der Sinn für eine angenehme Umwelt stieg. Frazier meinte sogar, so etwas wie Kunstgegenstände, aber zumindest Zierrat zu identifizieren, Dinge, die keinem anderen Zweck zu dienen schienen als dem, gut auszusehen. Frazier vermochte nicht, dies mit einem Adjektiv zu qualifizieren, denn für ihn selbst bedeuteten diese Gegenstände nichts, aber der Eindruck drängte sich bei intensiver Beobachtung auf. Wahrscheinlich wäre es für Xenosoziologen oder Xenoanthropologen eine faszinierende Aufgabe, sich dieser Dinge zu widmen und daraus Rückschlüsse über die Kultur der Tentakel zu ziehen, die ohne Zweifel existierte und durchaus von individuellen Vorlieben geprägt zu sein schien. Dass dafür wahrscheinlich keine Zeit blieb und es diese Wissenschaften bisher auch noch gar nicht gab, ließ diesen Gedanken als müßig erscheinen.
    Ja, die Tentakel waren fleißig.
    Für einen kurzen Moment hatte es Aufregung gegeben, als jemand gesehen haben wollte, dass ein Tentakel DeBurenbergs Leiche durch einen Gang schleppte – erkennbar am Kittel, wo doch alle anderen Wissenschaftler den Aufruf, sich in die Bunker zurückzuziehen, sofort und ohne Zögern nachgekommen waren. Außerdem hatte dem Körper der Kopf gefehlt. Es hatte eine erregte Diskussion darüber gegeben. Frazier wurde gefragt, was er denn davon hielte. Er hatte nicht geantwortet, obgleich er sich ziemlich sicher war, dass DeBurenberg sein wertvolles Gehirn vor dem Zugriff durch die Tentakel hatte schützen wollen.
    Für einige Momente versuchte er, zu ergründen, was er angesichts des Todes des Genies empfand. Vielleicht etwas Enttäuschung, weil der Mann es wahrscheinlich nicht geschafft hatte, die hohen Erwartungen, die die Menschheit in ihn gesetzt hatte, auch zu erfüllen. Kein Deus ex Machina. Keine alles entscheidende Wunderwaffe. Frazier hoffte nur, dass wenigstens die verbesserten Raumraketen eine Rolle spielten, da draußen, wo auch immer noch Sphäreneinheiten aktiv und Infrastruktur funktionsfähig sein mochten.
    Er vermisste das Genie aber nicht.
    Um ehrlich zu sein, vermisste er niemanden und gar nichts mehr. Die abgestandene Luft im Bunker, der Angstschweiß der Eingeschlossenen, das Flackern von Hoffnung wie auch Panik in den Augen der Überlebenden, der gewollte Optimismus einiger weniger Offiziere – Frazier nahm sich davon nicht aus –: All dies machte Emotionen eher störend. Er war abgestumpft, müde, etwas leer. Vielleicht verstand er einfach die Welt nicht mehr, die in so kurzer Zeit eine so katastrophale Wendung genommen hatte. Oder er verstand sie nur zu gut und wollte sich schlicht nicht mehr damit auseinandersetzen.
    DeBurenberg war tot. Na und?
    Es machte im Grunde keinen Unterschied.
    Ja, das war es wohl, was ihn noch am meisten ärgerte: dass er keinen Unterschied mehr machen konnte. Er und DeBurenberg. Niemand hier. Egal, was sie taten. Es änderte nichts am Ausgang ihrer individuellen Geschichte. Vielleicht gab es noch Hoffnung für die Menschheit an sich, das Sonnensystem oder gar die Sphäre, aber nicht für sie hier unten in den Bunkern von Thetis. Hilflosigkeit war der Fluch, unter dem Frazier mehr litt als unter allem anderen. Die

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