Tentakelblut (German Edition)
Bescheid, was auf der Oberfläche geschieht. Das sind die Fakten, das sind die Realitäten eines Krieges. Sie sollten das wissen. Sie haben es doch sicher schon oft genug gesehen.«
Sobhex schwieg für einen Moment, als müsse er das Gesagte verarbeiten.
»Ich akzeptiere Ihre Aussage, Admiral«, sagte er schließlich. »Ich war vielleicht ein wenig ungerecht. Wann darf ich mich bezüglich dieser Sache wieder melden?«
Am liebsten gar nicht, dachte terSteegen bei sich, bemühte sich aber angesichts der angedeuteten Entschuldigung des Aliens darum, eine weitere Eskalation zu verhindern. Im Grunde standen sie ja auf der gleichen Seite. Er holte tief Luft und versuchte, die angesammelte Anspannung wieder abzubauen.
»Ich melde mich bei Ihnen, und das binnen der nächsten 48 Stunden«, versprach er.
»Ich breche bald mit der Flotte zum Jupiter auf. Es wäre zufriedenstellend, vorher Informationen über Mirindas Verbleib zu erhalten«, erinnerte ihn der Diplomat.
»Natürlich«, brachte der Admiral hervor. »Ich bemühe mich.«
»Dann ist es gut. Ich danke Ihnen.«
Und terSteegen starrte auf einen leeren Bildschirm.
Er seufzte. Dann drückte er einen Knopf auf seinem Schreibtisch.
»Ich will mit Capitaine Kay reden. Jetzt.«
Immerhin konnte er seinen Frust an einem Untergebenen auslassen. Kay war so ein Typ, der regelmäßig eins auf die Mütze brauchte, um richtig zu funktionieren, und terSteegen hatte durchaus seinen Spaß daran, diese Motivation zu verteilen.
Er hatte gelernt, die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen.
12
Drei weitere Trainingseinheiten hatte es gedauert, bis Loban zu der Überzeugung gekommen war, dass Slaps Erfolg im Virtuum keine Eintagsfliege war. Slap war sich nicht sicher, ob das eine gute Nachricht war – vielleicht wäre es auch besser gewesen, alles hätte sich als riesengroßer Irrtum oder Zufall herausgestellt und ihm wäre die Chance gegeben worden, wieder in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Doch gerade seine nonchalante Haltung, diese Einstellung, dass es ihm im Grunde seines Herzens egal war, was im Tentakeltraum passierte, schien die Grundlage seines Erfolges zu sein. Loban hatte darüber hinaus begonnen, mit ihm diverse Meditationstechniken einzuüben, die Slap halfen, den glückseligen Zustand völliger Gleichgültigkeit zu erreichen, der offensichtlich instrumentell war, um seine Funktion zu erfüllen. Die Tage vergingen daher in einer gewissen Eintönigkeit: Morgens absolvierte Slap Entspannungs- und Meditationsübungen, danach wurde er von Experten in der Architektur des Tentakeltraumes unterwiesen, sodass es ihm gelang, sich bewusst zu orientieren. Hin und wieder tauchte auch sein Mentor auf und lehrte ihn allgemeine Dinge über die Allianz, nicht zuletzt über das politische System, die Bedeutung des Rates, die Rolle verschiedener Fraktionen und mächtiger Gruppen, Dinge, die Slap auf fatale Art und Weise an die Abfolge deformierter politischer Systeme aus der Geschichte der Erde erinnerten. Auch in der Allianz hatte sich seiner Sicht nach eine Entwicklung ergeben, die Parallelen zur irdischen Geschichte aufwies: Je mehr das System daran scheiterte, gewisse Probleme möglichst optimal zu lösen, desto stärker wurde die Tendenz, diesem System zusätzliche Kompetenzen und Ressourcen zu geben – und anstatt damit die Problemlösung zu verbessern, sorgte man auf diesem Wege nur dafür, dass das System auf einem stetig höheren Niveau scheiterte.
Es war offenbar immer die gleiche Geschichte.
Die anderen Aspekte seiner Ausbildung waren dann doch interessanter. Glückselige Ignoranz etwa war ein Geisteszustand, den Slap schon immer erstrebenswert fand, und obgleich die Monotonie ihn ein wenig anfraß, übte und praktizierte er, so gut er nur konnte.
Dies war notwendig, denn seine erste richtige, echte Mission bestand darin, Informationen über die Fähigkeit der Tentakel zu erlangen, das Allianzsystem anzugreifen. Dazu gehörte aber nicht nur die Möglichkeit, sich im Tentakeltraum zu orientieren, sondern auch, ein anderes Abbild seines Selbst in diesen hineinzuprojizieren – im Regelfall als Tentakel.
Slap musste virtuelles Tarnen und Täuschen lernen, und das in einer Umgebung, deren Spielregeln von ihm genutzt, aber nicht bestimmt wurden. Die Nachmittage verbrachte er damit, das Gelernte in die Tat umzusetzen, immer noch in einem relativ geschützten Teil des Virtuums, dem Trainingsbereich, wie Slap ihn nannte. Die Abende hatte er frei,
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