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Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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diese Wirkung nicht entfaltete.
    »Ich würde ja eher eine von Ihnen aussuchen«, erklärte Piotrowski und es klang mehr wie eine Drohung denn wie ein Versprechen.
    Die Rahel blieb völlig unbeeindruckt. Sie wirkte weder entsetzt noch empört … nicht einmal abgestoßen. Sie blieb von gleichbleibender Freundlichkeit.
    »Ist das so?«, fragte sie leise.
    »O ja!«, behauptete der Agent. »Sie haben nur Vorteile, wenn Sie mich an Bord lassen. Glauben Sie mir. Ich kenne mich auch mit Verwaltung aus. Ich kann ein ausgezeichneter Bürokrat sein, wenn es darauf ankommt.«
    Roby glaubte ihm aufs Wort.
    »Sie wissen gar nicht, was man da alles falsch machen kann. Alleine die Fehler bei der Ausfertigung wichtiger Dokumente. Rechtschreibung, Stil, Grammatik. Da schreit man manchmal auf, möchte groß ›Tilt!‹ über alles schreiben, in roter Farbe. Unfähigkeit ist der Standard, und es bedarf eines Menschen wie mir, die Dinge lesbar zu machen, damit alles läuft und klappt. Sie können auf jemanden wie mich einfach nicht verzichten!«
    Zu Robys gelinder Überraschung nickten sich die Rahels zu. Er wurde unruhig. Ihn beschlich das Gefühl, wieder nicht genau mitzubekommen, was hier geschah.
    »Sie haben uns überzeugt, Agent Piotrowski«, erklärte die Wortführerin und wandte sich an Roby. »Der Mann darf an Bord. Weisen Sie ihm einen der Notsitze zu. Er erhält auch Zugang zur Arche und darf dort bleiben, wenn er es wünscht. Behandeln Sie ihn höflich. Er hat sich diese Chance verdient.«
    Roby öffnete fassungslos den Mund, starrte auf Piotrowskis triumphierendes Grinsen und suchte vergeblich nach Ironie in dem Befehl der Rahel, irgendeinem Anhaltspunkt, dass sie es eben nicht so gemeint hatte und er dem Mann einen Tritt in den Hintern geben durfte.
    Durfte er nicht.
    Er durfte nur mit ansehen, wie Piotrowski, immer noch grinsend, ihm noch einmal zuwinkte, um dann fröhlicher Dinge die Hanna zu betreten. Smith würde hocherfreut sein, wenn er von ihrem neuen Gast erfuhr und dass Roby nicht alles getan hatte, um ihm den Zutritt zu verweigern. Letztendlich würde auch Smith tun, was die Rahels ihm sagten, aber Roby konnte sich bereits lebhaft vorstellen, dass er den Sündenbock würde spielen müssen, und das war keine Aussicht, auf die er sich übermäßig freute.
    Der Agent hatte es sich durch reine Chuzpe und Frechheit und wilde Angeberei verdient, dem Chaos auf der Erde zu entkommen und Teil der neuen Zukunft der Menschheit zu werden? Roby fielen auf Anhieb Dutzende von Menschen ein, die er hätte nennen können, wenn die Rahels ihn um eine Liste von Kandidaten fürs Überleben gebeten hätten. Doch eine solche Bitte war niemals ausgesprochen worden. Und bisher waren die Rahels solchen Anträgen gegenüber auch nur sehr reserviert begegnet. Es gab eine feste Liste, nur wenige freie Plätze durch unvorhergesehene Ausfälle. Keine Extrawünsche. Wer noch mitwollte, musste es sich verdienen. Roby hatte dafür einen der gefährlichsten Jobs überhaupt angenommen und mit ihm die hohe Wahrscheinlichkeit akzeptiert, diese ganze Aktion gar nicht zu überleben und den Abflug der Arche aufgrund plötzlichen gewaltsamen Ablebens zu verpassen.
    Das konnte doch alles nicht wahr sein!
    Roby war zutiefst in seinem Gerechtigkeitsempfinden verletzt. Er fühlte kalten Zorn in sich aufsteigen.
    Er ballte die Fäuste.
    Doch ehe er die Rahels fragen konnte, was zum Teufel sie eigentlich geritten hatte, eine solch absurde Entscheidung zu treffen, waren die drei Klonfrauen bereits verschwunden, ohne sich um die Fassungslosigkeit in Robys Gesichtsausdruck zu scheren. Roby durfte ihren Hintern nachblicken, und er empfand diesen Anblick als den höchsten Ausdruck an Arroganz, den er sich derzeit vorstellen konnte.
    Er blieb zurück, allein, starrte auf die Flüchtlinge, die von alledem nichts mitbekommen hatten, ruhig und gelassen auf ihre Plätze im Shuttle warteten, Plätze, die sie sich nicht erschlichen und ergaunert hatten. Roby schüttelte langsam den Kopf und versuchte, sich wieder abzuregen.
    Immerhin, kam ihm der Gedanke, eines hatte dieses Gespräch doch bewirkt.
    Er war sich darüber klar geworden, wo er eigentlich stand.
    Wenn er sich bisher auch der Illusion hingegeben hatte, ein Soldat der Tentakelwacht zu sein und dieser irgendeine Loyalität zu schulden – obgleich sie es eigentlich nicht verdient hatte –, so war ihm jetzt glasklar geworden, dass er längst innerlich die Seiten gewechselt hatte. Nein, nicht zu den Tentakeln,

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