Tentakelwacht
erkennen, wo der Torpedo durch die Körper hindurchgezuckt war, unbeirrbar auf seinem Weg zu einem Ziel, das er sicher in Kürze erreichen würde.
Slap starrte auf den Fleck und keuchte.
»Sie schaffen es!«, hörte er die Stimme der Pilotin in seinem Helm. »Bleiben Sie ruhig! Es wird jetzt etwas heiß hier!«
Das Shuttle veränderte sich. Eben noch hing es mit beruhigender Solidität im Weltraum, jetzt aber, wie in Zeitlupe, schien es sich auszudehnen, brach glühender Lichtschein aus seinem Inneren hervor, konsumierte die winkende Gestalt an der Schleuse, dann das ganze Schiff, und dann breitete sich das Auseinanderbersten in Richtung Slap aus.
Es geschah binnen weniger Momente.
Als die ersten Trümmerteile Slap erreichten, hatte er bereits keine Chance mehr. Er versuchte noch, sich umzudrehen und fortzuschwimmen, ein hilfloser Fisch in der Schwerelosigkeit. Der dünne, brennend heiße Metallträger, der seinen Körper durchstieß, zerkochte seinen Leib im Inneren des ansonsten unbeschädigten Raumanzugs.
Ein helles Licht drang aus dem Helm, als Slaps Schädel in einer sich rasch verzehrenden Flamme verging. Das verkokelte Stück Leiche, das dann im Raumanzug durch das All schwebte, kühlte rasch ab, und es gesellte sich wenige Minuten später zu der gigantischen Explosion, in der die Raumstation verging. Die Explosion erreichte beinahe sogar die wartende Jonathan Haark, die dem Untergang gerade noch entkommen konnte.
Slap bekam nichts mehr davon mit, wie die Haark zusammen mit ihren Begleitschiffen voll beschleunigte und mit Notgeschwindigkeit den Jupiterraum verließ. Er beobachtete nicht mehr, wie Tentakeldrohnen in die Atmosphäre des Gasgiganten vordrangen, diesmal unbehelligt, mit absoluter Präzision den schimmernden Dodekaeder des Weltentores identifizierten und mit der gleichen Genauigkeit ansteuerten. Er sah nicht mehr, wie das Weltentor in einer gigantischen Druckwelle kollabierte, ausgelöst von in der Nähe ausgelösten Explosionen.
Der Jupiter gehörte den Tentakeln.
40
Dafür, dass sie nur wenige Wochen alt waren, hatten sich die Klonsoldatinnen ziemlich gemütlich eingerichtet, ja, sie hatten sogar Geschmack bewiesen. Die Möbel waren zwar nichts Besonderes – billige Plastikprodukte, Reste der Fabrikeinrichtung, ein ganzer Haufen aufblasbarer Sessel und Sofas –, aber das gesamte Arrangement wirkte durchaus wohnlich. Dazu war es warm, es gab Tee und Kaffee, und hätten die Soldatinnen auch noch Kekse und Kuchen serviert, wäre der irreale Eindruck perfekt gewesen. Es gab stattdessen lediglich gehärtete Koffeinschokolade aus Militärrationen.
Sie durften sich alle setzen, und alle hatten die Sturmgewehre mit betonter Deutlichkeit beiseitegelegt. Nicht ganz außer Reichweite, aber doch zumindest so platziert, dass es nicht allzu bedrohlich wirkte. Die Rahels waren absolut unbeeindruckt, und da die meisten von ihnen bewaffnet waren und sich gut 100 in der Halle aufhielten – viele davon hockten auf leeren Maschinenblöcken oder standen auf Treppen und Wandelgängen an der Innenseite der Halle –, war ohnehin jedem klar, wie ein eventueller Kampf ausgehen würde.
Die Klonsoldatinnen waren nur durch ihre unterschiedliche, meist zusammengestoppelte Ausrüstung voneinander zu unterscheiden. In der Art, wie sie sprachen und gestikulierten, ähnelten sie sich sehr. Die beiden Männer, die sich unter ihnen aufhielten, stachen daher besonders hervor. Sie betrachteten Lefevres Gruppe nicht mit der spöttischen Gelassenheit der Rahels, sondern mit Misstrauen und Vorsicht. Es waren , wie sich rasch herausstellte, Mitglieder von Bellas Kirche, die dabei halfen, die Klone mit dem Nötigsten zu versorgen. Keine Führungspersonen ihrer Organisation und daher auch nicht geneigt, das Wort zu führen. Die Tatsache, dass die Rahels keine Probleme damit zu haben schienen, Vereinbarungen zu treffen und Verhandlungen zu führen, gab Roby zu denken. Wer war hier eigentlich der Schwanz und wer der Hund?
Vielleicht waren die Rahels doch mehr als nur eine Leibwache.
Jedenfalls waren sie sich nicht zu schade, ihnen tatsächlich Kaffee einzuschenken und die Plastiktassen zu reichen. Roby nahm seine mit einem dankbaren Lächeln entgegen. Es war schön, wenn man zivilisiert miteinander umgehen konnte. Er nahm einen höflichen Schluck, es handelte sich um das gleiche untrinkbare Kaffeeextrakt , mit dem auch das Militär gequält wurde.
»Ich habe das schon richtig verstanden – Sie wollen die
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