Tentakelwacht
Erde verlassen?«, begann Lefevre, als sie sich ein klein wenig entspannt hatten.
»Das trifft zu.« Eine Rahel hatte sich zur Wortführerin gemacht. An ihr war jedoch nichts zu erkennen, das sie als besonders wichtig oder privilegiert kennzeichnete.
»Sie wollen nicht gegen die Tentakel kämpfen?«
»Nur, wenn wir unsere Evakuierung zu schützen haben.«
»Sie lassen uns also hängen?«
Die Soldatin nickte. »So ist es.«
Lefevre schien von der Offenheit der Frau etwas aus dem Gleichgewicht gebracht.
»Sie haben wertvolle Kapazitäten der Klonfabriken genutzt, die andernfalls für Kameraden gesorgt hätten, die den Kampf gegen die Tentakel voll und ganz aufgenommen hätten«, meinte Navrova nun.
»Das ist korrekt. Geben Sie sich tatsächlich der Illusion hin, die Tentakel seien zu schlagen?«
Navrova senkte den Kopf. Wie alle Soldaten wusste auch sie, dass niemand an einen Sieg glaubte, was aber nicht hieß, dass sie bereits alle Hoffnung hätten fahren lassen.
»Wir müssen es versuchen«, erwiderte sie verbissen.
»Das ist Ihr gutes Recht. Wir haben das gleiche Ziel: Wir wollen, dass die Menschheit überlebt. Aber das wird nicht durch einen sinnlosen Kampf zu erreichen sein.«
»Erwarten Sie, dass Ihnen die Flotte Transportschiffe zur Verfügung stellt? Und wie wollen Sie entkommen? Das Tornetz ist deaktiviert. Die einzigen autonom überlichtschnellen Fahrzeuge sind längst demontiert oder in einem unreparierbaren Zustand. Wollen Sie zu Fuß gehen?«
Roby sah Lefevre erstaunt an. Der Capitaine war sehr gut informiert. Er selbst hatte nicht einmal geahnt, dass es überhaupt überlichtschnelle Raumschiffe gab, die nicht auf das Brückennetz angewiesen waren, das früher die Irdische Sphäre miteinander verbunden hatte.
»Wir sind vorbereitet«, erwiderte die Rahel. »Wir sind nicht auf das Wohlwollen der Flottenführung angewiesen.«
Lefevre runzelte die Stirn. Roby sagte nichts. Wenn das kein Bluff war – und irgendwie wollte er nicht daran glauben, dass die Klonsoldatinnen nur ein Spielchen trieben –, dann musste diese Verschwörung noch viel, viel größer sein, als sie bisher geahnt hatten. Der Capitaine schien zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gekommen zu sein. Jedenfalls machte er nicht den Eindruck, als würde er die Rahels für völlig verrückt halten.
»Wenn … wenn wir dafür sorgen, dass das Sphärenmilitär Sie bei Ihrem Tun unbehelligt lässt, können wir dafür einige Zusicherungen erwarten?«, fragte Lefevre.
»Welche Zusicherungen?«, fragte nun einer der Männer. Er trat einen Schritt nach vorne und war das personifizierte Misstrauen. Eine der Rahels zog ihn am Ärmel wie bei einem ungezogenen Kind und er schüttelte die Hand ab, genau so.
»Weder jetzt noch nach Angriff der Tentakel wird Ihre Klonarmee gegen das Militär antreten oder eine militärische Aktion gegen die Tentakel stören oder sabotieren.«
»Das sichern wir zu, solange Ihr Militär keine unserer Aktionen sabotiert.«
»Wir sollten darüber in Kommunikation bleiben.«
»Das wäre gut. Weitere Zusicherungen?«
»Wenn Tentakel Installationen oder Einheiten des Militärs angreifen und Ihre Einheiten sind in der Nähe, dann schauen Sie nicht nur zu, sondern helfen – entweder durch eigene Angriffe oder durch Deckung für Flüchtlinge oder die Versorgung von Verletzten.«
»Das sichern wir zu.«
»Was auch immer Sie tun, Sie gefährden nicht das Leben der Zivilbevölkerung, vor allem nicht jener, die bei Ihrem geplanten Exodus nicht mitmachen dürfen. Die bloße Tatsache, dass Sie diesen Krieg für verloren halten, darf nicht bedeuten, dass Sie anderen die Chance nehmen, so lange für ihr Überleben zu kämpfen, wie es geht.«
Roby war sich nicht sicher, ob das zu den Forderungen der Militärführung gehörte, die Lefevre zu kommunizieren hatte, oder ob das vielmehr auf seinem eigenen Mist gewachsen war. Er kommentierte es aber nicht.
»Das sichern wir zu.« Die Rahel zögerte. »Wir sind über diese Forderung überrascht. Seit wann wird das Oberkommando von moralischen Skrupeln geplagt?«
Lefevre schüttelte den Kopf.
»Keine Skrupel. Aber jeder bewaffnete und kampfbereite Bürger ist ein Faktor, der die Tentakel ein wenig länger aufhält. Wir wollen nichts verschwenden.«
»Ah. Das ergibt Sinn. Was noch?«
Lefevre sah Roby an. Der war etwas erstaunt über die implizite Aufforderung. Er war doch nicht das Oberkommando! Dennoch … ein Gedanke kam ihm, und er war gleichzeitig vernünftig wie
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