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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Wissenschaftssektion. Irgendwo hier wartete wahrscheinlich Brahms auf ihn, bereit, die wertvollen Anlagen bis zur letzten Sekunde zu nutzen. Wie alle Wissenschaftler, so fand Slap, hatte auch diese Frau nur eine sehr begrenzte Wahrnehmung der Realität.
    Ein Medroboter kam aus dem qualmenden Raum, zog eine Schwebetrage hinter sich her. Darauf lag Mirinda, die echte Mirinda, den Oberkörper durchpfählt von einem Metallteil, einem mit Wucht aus der Wand gerissenen Objekt, das ihre Brüste durchschnitten und ihren Brustkorb gespalten hatte. Es war ein blutiges Stück Fleisch, herausgeholt aus einer offenbar vor Hitze glühenden, tiefer im Gang liegenden Räumlichkeit , eine verbrühtes, frittiertes Stück Mensch, ohne Leben und Regung. Jemand würgte und übergab sich, ehe der Medroboter den Impuls bekam, die Leiche abzudecken und fortzutransportieren.
    Slap fühlte sich ein wenig schwindelig. Er schluckte Galle hinunter, gleich zweimal, tastete mit den Lippen nach dem Trinkhalm seines Anzugs, sog gierig die fruchtsaftartige Nährflüssigkeit aus dem kleinen Tank ein, vertrieb den bitteren Geschmack aus seinem Hals. Er wischte sich über die Augen, der Qualm sorgte für Tränen und die Trauer über die Tote sicher auch.
    Sievers zog ihn weiter. Er hatte entweder nicht hingeschaut oder er war derzeit zu einer emotionalen Reaktion nicht in der Lage. Slap widerstand der Versuchung, sich Kaltmacher zu injizieren. Er fand, dass er damit den Toten den Respekt verweigern würde. Tatsächlich, so schoss es ihm durch den Kopf, war sein eigenes Mitleid viel mehr Erleichterung darüber, selbst noch am Leben und unversehrt zu sein, als genuiner Affekt. Menschen waren so …
    Slap wischte den Gedanken fort. Er stand vor einer müden, sehr alt wirkenden Frau, Edna Brahms, die ihren dreckigen Laborkittel unter dem Folienanzug angelassen hatte, wie einen Schild, der sie vor dem Zusammenbruch ihrer Umwelt bewahrte.
    »Sie haben es geschafft!«, erklärte sie.
    »Ja.«
    »Erstkontakt!«
    »So ist es.«
    » Verdammt, reden Sie! Werden die Aliens uns helfen oder werden sie zur Katastrophe beitragen?«
    Die fast schon wahnsinnige Hoffnung in Brahms’ Stimme ließ Slap zögern. Aber er war zu müde für psychologische Spielchen. Er holte tief Luft und sagte: »Beides.«
    »Was bedeutet das?«
    »Beides. Für einige von uns kann es die Rettung bedeuten, für andere bedeutet es den Verlust jeder Hoffnung.« Für die Mehrheit war es Letzteres, wie er sich in Erinnerung rief. Und wenn Jupiter fiel, dann gab es nicht einmal mehr für die Minderheit eine Chance auf Rettung, denn dafür war der Zugang zum Weltentor unabdingbare Voraussetzung.
    Brahms wischte sich über das Gesicht. Bevor sie weitere Fragen stellen konnte, sprach Sievers.
    »Wir werden auf der Jonathan Haark ein Debriefing durchführen. Hier hören zu viele Leute mit, die nicht über die notwendige Sicherheitseinstufung verfügen. Doktor Brahms, wir müssen zum Shuttle. Haben Sie alles eingepackt?«
    Die Frau machte eine hilflose Handbewegung, die das Chaos ihrer unmittelbaren Umgebung einschloss. »Was soll ich denn wohl mitnehmen?«
    » Die Haark hat eine Wissenschaftsabteilung.«
    »Ja, das hat sie. Wohin werden wir fliegen?«
    » Die Haark wird unser mobiles Einsatzzentrum. Das Flottenkommando ist der Ansicht, dass eine weitere stationäre Basis zu gefährdet ist. Es ist nirgends mehr sicher genug. Wir müssen vor den Tentakeln davonrennen, solange wir können.«
    Brahms sah Sievers an, als hätte sie ihm gar nicht richtig zugehört oder nicht verstanden, was er gerade gesagt hatte.
    Dann nickte sie langsam. Sievers packte sie am Oberarm, nicht einmal grob, und schob sie vor sich her. »Zum Hangar IV«, sagte er knapp und verließ sich drauf, dass Slap ihm folgte.
    Ihm blieb nichts anderes übrig.
    Zweimal mussten sie sich auf dem Weg an Haltegriffen festklammern, als die Station durch mächtige Treffer erschüttert wurde. Nach der zweiten Explosion entfalteten sich überall die Folienhelme und auch Slaps Anzug stellte die autonome Luftversorgung wieder her. Der Druckabfall erfasste nun die gesamte Station. Als schließlich auch im Innenbereich die Beleuchtung ausfiel und nur noch die autonomen Notlichter brannten, war klar, dass sie waidwund geschossen waren.
    Sie erreichten Hangar IV und Sievers hielt Slap für einen Moment fest, als dieser nach vorne gehen wollte. Der Hangar existierte nicht mehr. Es gab nur noch ein klaffendes Loch, das in den Weltraum führte, größer

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