Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom

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eine richtig harte Nuss.
    Die zweitgrößte Gefahr, so hatte Slap erfahren, lag direkt unter ihr, in dem großen, roten Wirbelsturm des Jupiter. Und niemand wusste derzeit genau, worin sie eigentlich bestand.
    »Wir docken jetzt an«, erklärte der Pilot. »Sie werden erwartet, Rekrut.«
    Slap nahm dies als Aufforderung, die Pilotenkanzel zu verlassen. Auf dem Weg zur Schleuse nahm er den Rucksack mit seinem schmalen Gepäck mit, dann stellte er sich vor die Doppeltür, die sich nach Abschluss des Andockvorgangs öffnen würde. Augenblicke später zitterte das Kurierboot leicht, als es an der Station festmachte. Fast unmittelbar danach öffnete sich die Schleuse.
    Slaps Empfangskomitee bestand aus einer älteren Frau in Zivil. Sie war sicher schon weit in ihrer zweiten Lebenshälfte angelangt und trug ihre weißgrauen Haare streng nach hinten gebunden. In ihrem schmalen Gesicht , die dünnen Lippen nicht einmal zur Andeutung eines Lächelns verzogen, saßen zwei eisblaue Augen, die Slap kalt anstarrten. Trotz ihres Alters erschien Slap der Körper der Frau fast athletisch, sie hielt sich kerzengerade.
    Slap ging auf sie zu und grüßte sie in Ermangelung einer Alternative militärisch.
    »Mein Name ist Dr. Edna Brahms«, sagte die Frau zur Begrüßung. Ihre Stimme war leise, besaß aber eine gewisse Schärfe, die sie unüberhörbar machte. »Ich bin die stellvertretende Leiterin des Projekts Tiefensturm, zu dem Sie abkommandiert wurden.«
    Sie blickte ihn an, wohl in der stillen Erwartung, dass Slap sie sogleich mit Fragen löchern würde. Doch dieser konnte sich den Luxus leisten, wie ein braver Soldat zu warten, bis ihm seine Vorgesetzten sagten, was er wissen musste. Er hatte sich ja bereits informiert, und die Kenntnisse, die er erlangt hatte, sorgten nicht dafür, dass er sich auf seine Aufgabe freute. Ganz im Gegenteil.
    Slap schwieg.
    Brahms stieß so etwas wie ein Grunzen aus, dann sagte sie: »Folgen Sie mir!«, und drehte sich um. Slap tat wie ihm geheißen. Die Frau legte ein ordentliches Tempo vor, bis sie eine der Liftkabinen erreichten und, so konnte Slap der Anzeige entnehmen, gut 20 Stockwerke nach »oben«, an die Spitze der Station führen.
    »Ihnen wird eine Unterkunft zugewiesen. Sie werden diese angemessen finden , denn Projektpersonal wird getrennt von der übrigen Mannschaft untergebracht – und vergleichsweise luxuriös dazu. Danach werde ich Sie zu Controller Mertens bringen, der Ihnen den Ausbildungsplan und die weitere Ausrüstung geben wird, dazu den Stationspass, ohne den sie sich hier nicht bewegen dürfen. Mertens wird Sie auch vereidigen. Es wird ein spezieller Eid auf absolute Geheimhaltung von Ihnen verlangt. Anschließend werden wir essen, gemeinsam, und ich werde Ihnen erklären, worum es hier geht. Haben Sie das alles verstanden?«
    »Ja«, erwiderte Slap. Wieder sah ihn Brahms abwartend, ja fast schon auffordernd an, doch er schwieg. Sie zog die Stirn kraus, doch ehe sie noch etwas sagen konnte, war der Aufzug angekommen.
    Slap starrte durch die Dachkuppel der Stationsspitze direkt in das rote Auge. Er blieb unwillkürlich stehen. Für eine winzige Sekunde war ihm, als hätte Jupiter geblinzelt.
    Brahms wartete geduldig. »Diesen Effekt hat der Sturm auf jeden Neuankömmling. Sie sollten sich daran gewöhnen, denn Sie werden sich mit dem Auge noch sehr eindringlich beschäftigen müssen.«
    Slap wusste, was sie meinte, bemühte sich aber um einen eher verwirrten Gesichtsausdruck. Brahms’ Blick schien ihn zu durchdringen. Er hoffte, er würde vor ihr verbergen können, dass er mehr wusste, als er wissen sollte.
    Er starrte noch einmal in das Auge und es starrte zurück.
    Slap bekam es mit der Angst zu tun.



18

    Roby hatte lange darüber nachgedacht, was er an jenem Sonntag erfahren hatte, und dann war er zu dem Schluss gekommen, dass er nicht einmal die Hälfte davon glauben wollte. Er hatte die Liste mit den Verstecken und den Zugängen zu geheimen unterirdischen Bunkern entgegengenommen – sie mochte sich nach der Invasion in der Tat als sinnvoll erweisen. Verrückte Überlebenskünstler lebten meist in abgefahrenen Fantasiewelten, bevölkert von Verschwörungstheorien und abstrusen Ideologien, aber der ihnen eigene Wahn trieb sie dazu an, die praktischen Aspekte ihrer Besessenheit mit großer Akribie und erheblichem Einsatz zu verfolgen. Und davon konnte dann möglicherweise auch ein einigermaßen normaler Mensch wie Roby profitieren.
    Ansonsten erschienen