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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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war bereits leicht überschritten, traten die junge Zettelverteilerin sowie ein breit gebauter Mann in einem verschlissenen Anzug in den Raum und marschierten auf das Rednerpult zu. Sie positionierten sich beide vor dem Mikrofon und warfen erst einmal einen langen Blick auf ihr Publikum. Ob dieses ihren Erwartungen entsprach oder nicht, war ihrem Gesichtsausdruck nicht zu entnehmen. Wenn auch alle anderen Einladungen erfolgt waren wie seine eigene, so war hier gewissermaßen eine handverlesene Gruppe versammelt. Roby wunderte sich, nach welchen Auswahlkriterien man hier vorgegangen war.
    Eine erwartungsvolle Stille legte sich über den Raum.
    Die junge Frau sah sich noch einmal um, schließlich trat sie an das Mikrofon.
    »Danke, dass Sie alle gekommen sind. Wir haben gut einhundert Einladungen verteilt und ich zähle hier 44 Anwesende, damit habe ich gar nicht gerechnet. Vielen Dank.«
    Es blieb still.
    »Ich weiß, dass einige unter uns sich Sorgen wegen der elektronischen Fußfesseln machen.«
    Diejenigen, die keine trugen, sahen sich unwillkürlich um, einige mit einem plötzlich recht gehetzten Gesichtsausdruck. Roby fühlte, wie seine Muskeln sich unwillkürlich anspannten. Auch die anderen Soldaten im Raum setzten sich aufrecht hin.
    »Ich möchte Ihnen sagen, dass keinerlei Gefahr besteht«, erklärte die Frau hastig. »Wir haben die Signale der Fesseln ausgefiltert und lassen jetzt Dummys in der Stadt umherwandern. Die automatische Überwachung wird nichts Außergewöhnliches feststellen. Sollte sich wider Erwarten doch ein menschlicher Operator für einen von Ihnen interessieren, wird er ihn in einer der umliegenden Bars lokalisieren und sich keine weiteren Gedanken machen. Ich darf Sie nur bitten, am Ende der Veranstaltung einige Augenblicke länger zu warten, damit wir die Dummy-Signaturen wieder mit der Ihrer Fußfessel synchronisieren können. Dieses Gebäude hier taucht auf den Überwachungsschirmen übrigens als Bordell auf. Nur, falls doch mal jemand fragen sollte.«
    Sie gestattete sich ein feines Lächeln, das ihr Gesicht plötzlich recht hübsch aussehen ließ. Roby beschloss, den Beteuerungen erst mal zu glauben. Wie es kam, dass diese seltsamen Menschen über die notwendige technische Ausrüstung verfügten, um so was zu ermöglichen, war eine Frage, die er vorläufig zurückstellte. Seine Neugierde auf das, was jetzt kommen würde, war groß.
    »Wie gesagt, ich freue mich, dass Sie alle hier sind. Sie fragen sich alle, was das zu bedeuten hat. Ich will Sie nicht lange auf die Folter spannen und übergebe Reverend Kolmar das Wort. Bitte, Reverend.«
    Der Mann, der bisher nur schweigsam danebengestanden hatte, rückte das Mikro zurecht und sprach. Er hatte eine heisere Stimme, die durch die Verstärker nur unzureichend lauter gemacht wurde, und er redete kurzatmig. Er hörte sich nicht wie ein wortgewaltiger Prediger an.
    »Ich begrüße Sie alle sehr herzlich in den Räumen der Vereinten Kirche der Heiligen Rahel. Bevor Sie aufstehen und alle davonrennen: Nein , ich will Sie nicht missionieren, dies ist auch kein Gottesdienst und es wird am Ende auch keine Kollekte geben.«
    Schwaches Gelächter kam auf, die Leute entspannten sich. Roby wäre auch fast so weit gewesen, zu verschwinden. Die nahende Tentakelinvasion hatte überreichlich verrückte Endzeitprediger auf den Tag gerufen, er musste sich das kein weiteres Mal anhören. Schon beim letzten Mal war die Welt nicht untergegangen. Das sollte eigentlich auch ein zweites Mal klappen.
    »Wir haben Sie nicht zufällig ausgesucht und eingeladen«, erklärte der Geistliche, falls er tatsächlich einer war. »Sie sind uns nicht unbekannt. Wir haben gewisse Informationen über Sie gesammelt. Rekruten, die nicht freiwillig in die Streitkräfte eingetreten sind. Arbeiter und Angestellte, privat wie beim Staat, alle mit einer gewissen persönlichen Geschichte, die eines gemeinsam hat.«
    Er machte eine Kunstpause.
    »Sie alle haben sich auf die eine oder andere Art und Weise dadurch ausgezeichnet, dass Sie unabhängig denken und eigenständige Entscheidungen gefällt haben – auch in Situationen, in denen sich dies für Sie letztlich als negativ erwiesen hat. Sie lassen sich nicht viel vormachen, sind keine Schäflein, die dem Hirten blind folgen.« Er lächelte. »Das hört sich aus dem Munde eines Vertreters einer Religionsgemeinschaft etwas komisch an, oder?«
    Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm. Roby schwieg.
    »Ich werde Ihnen einige

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