Tentakelwacht
für diese Art der Entspannung – die Schichten waren lang, der Zeitdruck enorm und Freizeit gab es so gut wie nicht. Kein Wunder, dass diese im Grunde karge und lustlose Party trotzdem so zahlreichen Zuspruch erhielt, denn sie bot immerhin eine Abwechslung.
»Die Strahlenwerte sind echt lustig«, meinte Mirinda mit fester Stimme und schaute in ihr Whiskyglas. Der Whisky war eher Whiskyersatz, nicht über Jahre in Holzfässern gereift, sondern in einem Nahrungsmittellabor mit allerlei Zusatzstoffen zusammengemixt und abgefüllt. Aber der Alkohol war Alkohol, und genau darum ging es ja letztendlich.
»Lustig?«, echote Slap. Er hielt sich an seinem dritten Bier fest und hatte beschlossen, es dabei zu belassen. Sein Körper war den Stoff offensichtlich nicht mehr gewöhnt; zudem wollte er sich an das erinnern, was Mirinda zu erzählen wusste.
»Erst waren es Energiewerte wie aus einem Fusionsreaktor. Also erst mal gar nicht so ungewöhnlich, der Jupiter ist eh ein verhinderter Stern und strahlt mehr Energie ab, als er bekommt. Aber die Werte stiegen dann kontinuierlich an. Irgendwas in Jupiters Innerem verbrannte einen Haufen Treibstoff.«
»Eine Kettenreaktion?«
»Dachten wir auch erst, und da begann ja die große Panik: Wollen die Tentakel eine zweite Sonne im System zünden und uns auf die Art fertigmachen? Aber das ist es nicht, denn die Energiewerte blieben konstant, kontrolliert und vor allem: örtlich extrem begrenzt.«
Slap füllte Mirindas Glas nach und hoffte, dass sie nur auf Betriebstemperatur kam und nicht bald anfangen würde zu lallen.
»Dann aber veränderten sich die Energiemuster. Wir haben so was noch nie gemessen. Tachyonen spielen eine große Rolle, scheint uns. Tatsächlich kamen wir zu dem Schluss, dass die Energien sehr einer der Einstein-Rosen-Brücken ähnelten, wie wir sie früher gebaut haben.«
Früher, das war vor der ersten Tentakelinvasion, weit vorher, als die Irdische Sphäre expandierte und Explorereinheiten in alle Richtungen entsandt hatte, um bewohnbare Systeme zu erkunden und diese durch Einstein-Rosen-Brücken mit dem Sonnensystem sowie anderen Bereichen des wachsenden Kolonialreiches zu verbinden. Die Technik war bereits zum Zeitpunkt der ersten Invasion nicht mehr im Einsatz gewesen, als Stagnation und Bürgerkrieg die Sphäre erschüttert hatten. Heutzutage war sie nur noch theoretisch bekannt. Es gab noch ein oder zwei der alten Explorer, irgendwo eingemottet, aber die Menschheit hatte sich nach der Invasion nicht mehr aus ihrem System hinausgetraut – vielleicht in der irrigen Annahme, dass beständiges Ducken dazu führen würde, dass die Tentakel sie vergessen würden.
Eine ausgesprochen irrige Annahme und im Nachhinein möglicherweise eine verpasste Chance, wie Slap fand.
»Also gibt es da jetzt … was? Eine ER-Brücke? Wir bekommen Besuch mitten in einem Gasplaneten?«
Mirinda schüttelte den Kopf, vielleicht ein wenig zu heftig, um noch als nüchtern durchzugehen.
»Nein. Wir haben echt jeden Pups da unten aufgezeichnet, was auch immer es ist, es stellt kein Portal oder so was dar. Zumindest ist noch nichts hindurchgekommen.«
»Kommt vielleicht noch.«
Mirinda grinste Slap an. »Ich bin echt gespannt, was du da unten vorfinden wirst!«
Sie hob ihre beeindruckenden Brüste und ihre Augen glitzerten.
Nicht nur sie war gespannt, auch der Stoff ihres T-Shirts wurde einer Belastungsprobe unterzogen. Slap schaute in sein Bier und redete sich ein, dass er dafür jetzt keine Zeit hatte.
»Aber wenn nichts hindurchkommt, was soll ich da unten?«, fragte sich Slap halblaut, nicht notwendigerweise an Mirinda gerichtet. Die Wissenschaftlerin nahm die Frage trotzdem auf.
»Nun, zum einen können wir vor Ort viel bessere Messungen anstellen. Zum Zweiten könnte es ja sein, dass es doch eine Waffe ist und jemand sie vor Ort außer Gefecht setzen muss!« Slap fragte nicht, wie er das wohl tun sollte. Ein gigantischer Korken würde wahrscheinlich nicht helfen. »Zum Dritten ist es vielleicht so, dass jemand nur darauf wartet, dass wir uns regen, ehe er auf diese Weise Kontakt aufnimmt. Und zum Vierten kann es ja sein, dass es zwar ein Portal ist, aber gar nicht dafür geeignet, jemanden hindurchzusenden, sondern dass nur eine Nachricht übermittelt wird, sobald klar ist, dass es einen Empfänger gibt.«
Mirinda rülpste auf sehr zauberhafte Art und Weise, und als Begleitmusik vibrierte das Bindegewebe und band Slaps Blick. Er kam zu zwei Schlussfolgerungen: Erst
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