Tentakelwacht
spezielle Aufgabe ausgewählt, eine Aufgabe, bei der Ihre Fähigkeiten ebenso notwendig sind wie Ihre Loyalität und Disziplin.« Er beugte sich vor und tat so, als wolle er Roby etwas im Vertrauen mitteilen.
»Es ist eine Geheimmission. Sie wissen doch, was das bedeutet?«
»Dass sie geheim ist«, erwiderte Roby ohne jedgliches Anzeichen von Ironie.
Piotrowski nickte schwer. »Das ist korrekt. Sehr geheim. Ich werde Sie nicht lang und breit auf die Konsequenzen aufmerksam machen, die Sie ereilen werden, wenn Sie jemandem von unserem Gespräch oder Ihrer Mission berichten.«
Der letzte Satz hatte einen Unterton, der Roby nicht sonderlich gefiel. Er rutschte instinktiv auf seinem Sitz hin und her, was der Agent mit einem zufriedenen Lächeln quittierte.
»Es geht um diese Kirche, von deren Vertreter Sie kürzlich angesprochen worden sind«, kam er nun mit der eigentlichen Sache heraus. Roby entgegnete nichts, starrte ihn nur an. Entweder war die Fußfessel damals doch geortet worden oder es gab noch ein anderes Überwachungssystem, möglicherweise weitaus konventioneller, weil menschlicher Natur.
»Was ist damit?«, erwiderte Roby nun. »Ich bin kein Mitglied, ich war nur auf einer ihrer Versammlungen und fand das alles nur etwas seltsam.«
»Ja, seltsam vielleicht, aber auch nicht ungefährlich.«
»Was soll an den denn Spinnern gefährlich sein? Ich habe das alles nicht ernst genommen«, sagte Roby wahrheitsgemäß.
»Wir nehmen es ernst, denn es hat offenbar einen wahren Kern, was diese Menschen dort propagieren.«
»Einen wahren Kern?«
Roby kannte seinen Teil der Geschichte, das, was man ihm auf dieser seltsamen Kirchenversammlung mitgeteilt hatte. Die Depots und Warenlager. Der zivile Widerstand, organisiert am Staat und dessen Institutionen vorbei. Das war sicher nicht alles.
Piotrowski machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich kann Ihnen derzeit nicht mehr sagen. Wenn Ihre Arbeit zufriedenstellend ist, dann will ich Sie einweihen. Aber zuerst müssen Sie sich bewähren.«
»Wie?«
»Werden Sie Mitglied dieser Vereinigung und berichten Sie uns.«
Roby starrte ihn an, dann runzelte er die Stirn. »Ich weiß nicht …«
»Es ist keinesfalls so, dass das eine ganz freiwillige Entscheidung wäre«, schaltete sich nun der Capitaine ein. »Wir werden Sie entsprechend mit Befehlen ausstatten. Es wäre aber natürlich für alle Beteiligten erquickender, wenn Sie freiwillig mitmachen würden. Das würde sicher auch Ihrer kleinen Freundin dienen.«
Roby spürte, wie er zornig wurde. Teilweise über die Tatsache, dass man ihm offenbar immer noch nachschnüffelte, teilweise über seine eigene Naivität.
»Was hat das mit Bella zu tun?«
»Sie gehört zur Hierarchie dieser Sekte.«
»Sie ist harmlos.«
»Das glaube ich Ihnen gerne«, meinte Piotrowski beschwichtigend. »Und wenn Sie es uns beweisen, kann ihr ja auch gar nichts geschehen.«
Freiwilligkeit, Befehle und jetzt Erpressung. Roby fühlte, dass ihm das Heft des Handelns aus der Hand glitt, so er es jemals wirklich im Griff gehabt hatte.
»Was … was soll ich tun?«, brachte er hervor.
»Das gefällt mir schon besser«, meinte der Agent mit einem freudlosen Lächeln. » Bis auf Weiteres wollen wir bloß allgemeine Informationen. Das kann sich natürlich ändern. Möglicherweise haben wir auch einmal einen besonderen Auftrag für Sie.«
»Es lohnt sich«, fügte nun der Capitaine wieder hinzu. »Zum einen springt ein Bonus für Sie dabei heraus. Mehr Sonderurlaub. Und die Beförderung in den Offiziersstatus – im Zuge einer Feldbeförderung – steht ja auch im Raum.« Er lächelte, fast genauso kalt wie sein Kollege. »Das ist doch eine ganz ordentliche Aussicht für einen ehemaligen Sträfling.«
Roby verstand gut, was er meinte. Unter all der Fassade sahen die beiden in ihm nur einen Straßengangster, einen nicht besonders guten dazu. Jemand, der für ein paar Vergünstigungen seinen besten Freund verraten würde, falls er überhaupt einen hatte. Der sich instinktiv dem Chef der Bande unterordnen würde, dem Alphatier der Straße, und in diesem Falle personifiziert durch einen Agenten des Militärgeheimdienstes.
Der Zorn loderte erneut in Roby auf. Er musste tief einatmen, um seine Emotionen unter Kontrolle zu bekommen. Er durfte nicht zeigen, dass er diese lächerliche Scharade sehr viel besser begriff, als man es ihm zutraute.
»Es ist sicher eine ehrenvolle Aufgabe«, rang er sich ab und alle, die hier saßen, wussten, was für
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