Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
Kameraden, die bei solchen hartnäckigen Fällen echt was draufhaben.«
Zwei Stunden später stand ich in der Schlange von Kasse drei. Ein Gebläse mit dreckigen Lamellen ließ kalte Luft auf uns niederregnen. Sie fiel schwer zu Boden, kühlte meine Knöchel aus und wirbelte wieder nach oben. Wie radioaktiver Niederschlag glitten ein paar fingernagelgroße Dreckfetzen an mir vorbei. In Kombination mit dem geklammerten Haarteil auf dem Kopf der Seniorin vor mir und dem pferdegroßen Köter, der mit einem traurigen Blick seine Vorderpfoten gegen das Schaufenster drückte, hatte die Situation etwas Apokalyptisches. Mir war nach Zuversicht und so fiel mir der Muttertag wieder ein. Also legte ich zuversichtlich ein paar Packungen Zigaretten aus dem Hause Bergmann auf das Fließband. Dann schellte Corinna auf dem Handy an.
»Hier ist gerade eine Sache reingekommen. Wasserschaden.« Sie machte eine kleine Pause. »Wasserbettmatratze.«
»Und was soll ich dabei machen?«
»Weiß nicht. Guck selber.«
Ich blies Luft durch meinen geschlossenen Mund, sodass meine Lippen vibrierten. Mir war nicht nach Wasserschaden. Wenn ich allein an den Geruch durchgeweichter Tapetenwände dachte, trockneten meine Nasenschleimhäute aus. Aber die Portokasse plärrte mir im Gedächtnis. Ich hatte noch einen halben Monat zu finanzieren. Und von dem mickrigen Grundgehalt konnte ich mir allenfalls die Miete und das Pay-TV leisten. »Na gut. Ich komme gleich vorbei.«
Corinna Gläser war 17 Jahre alt und Einzelkind. Unsere Väter haben gemeinsam unter Tage auf der Zeche Minister Stein in Dortmund Steinkohle gefördert, bis sie vor 22 Jahren stillgelegt wurde. Rudolf Gläser war Grubensteiger gewesen und mein Vater ihm unterstellt. Es gibt Geschichten über ihn, dass er unter tonischem Stottern litt und durch die Rohrschächte singen musste, um seinen Mitarbeitern flüssige Anweisungen zu erteilen. Zwar war er zehn Jahre jünger als mein Vater, hinkte beim Vaterwerden allerdings eine Generation hinterher, was meinen Altersunterschied zu Corinna aufrechnete. Rudolf brachte Corinna zu Skat-Turnieren mit in die Stammkneipe. Damals war sie elf. Und meistens gewann mein Vater. Ich war zu den Skat-Turnieren nie mitgegangen, daher kannte ich Corinna erst seit drei Monaten. Dennoch flackerte durch die Geschichten um Rudolf Gläser, die mir Paps als Zwölfjährige erzählt hatte, eine gewisse Vertrautheit und Sympathie in mir auf, die bis heute einseitig bleiben sollte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Corinna mich nicht leiden konnte.
Vor der Detektei war die schmale Parklücke noch frei, doch ich beschloss, den Wagen einige Meter entfernt in einer Seitenstraße abzustellen, damit ich mir nicht wieder Metins Pöbeleien anhören musste. Vor den Häusern flimmerte die Luft auf dem Bürgersteig und der Turban auf dem Kopf eines Passanten kam mir wie eine Fata Morgana vor. Meine Finger und Zehen waren von der Hitze angeschwollen und meine Schultern waren so rot wie der Hintern meiner Nichte nach drei Gläsern Malzbier. Als ich das Büro betrat, machte ich einen Sprung aus der lodernden Hölle in die Leichenhalle, weil das Klimagerät seine 15 Grad kalte Luft auf die Erde hustete. Corinna schaute kurz von ihrem Arbeitsplatz auf. Metin war nicht da.
»Hm«, grüßte sie mich und schob mir mit zwei Fingern die Akte hin. Ich blätterte sie nur kurz durch, weil ich bereits erste Frostbeulen bekam.
Es ging um eine Hundehaftpflicht. Der Teppichporsche von Marisa Nowak, halb Pudel, halb Yorkshireterrier, hatte in eine Wasserbettmatratze gebissen und die halbe obere Etage des Hauses von Richard Pfeiffer überschwemmt. Ich las ein Memo des Sachverständigen an den Versicherungsfritzen, dass er niemanden kenne, der sich so blöd beim Stopfen zweier Löcher angestellt hätte. Dann stellte er ein paar Thesen über den Schadenhergang auf und machte sich über den medizinischen Status des bisswütigen Rüden lustig. Ich musste schlucken.
»Der Hund hat nur einen Zahn?«, las ich laut vor.
»Hm«, antwortete Corinna. Sie sah nicht auf, aber ihr langes schwarzes Haar wackelte wie ein über den Kopf gelegtes Geschirrhandtuch.
Ich klemmte mir die Akte unter den Arm, ging aus dem Büro, öffnete die Wagentür und schmiss die Papiere auf den Beifahrersitz. Routiniert spreizte ich meine Knie unter dem Lenkrad und rutschte mit dem Hintern nach vorn, um mir Platz zu verschaffen. Anschließend kurbelte ich die Fensterscheiben herunter und begann, tonlos zu
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