Terminal 3 - Folge 3: Tanz der Marionetten. Thriller (German Edition)
Er verzieht das Gesicht. »So viel Courage hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
»Was ist Stadium A2?«, frage ich.
»Stadium A2?«
Ich nicke.
Frank zeigt mit dem Pistolenlauf zum Terminal hinüber. »Sieh's dir selbst an. Dürfte jeden Augenblick losgehen.«
Ich wusste es. Ich wusste, dass Frank uns nur so viel erzählt, wie wir wissen müssen. Ich wusste nicht, wie wenig er für notwendig hält.
Thomas Riley
Ich weiß nicht, was sie ihm über Funk gesagt haben, warum der große Kerl mit dem Marines-Haarschnitt so durchgedreht ist, aber seine Kollegen wissen mittlerweile auch davon. Rücken an Rücken schieben sie sich durchs Terminal, die Hände an ihren Pistolen und Elektroschockern. Sie verschwinden im Starbucks. Sie schmeißen alle raus und verriegeln die Türen von innen. Sie verschanzen sich. Das Licht wird ausgeschaltet. Niemand ist mehr zu sehen. Wahrscheinlich hocken sie irgendwo im Dunkeln hinter der Theke.
Ich weiß, was den TSA-Beamten so in Panik versetzt hat. Seine Reaktion hat eine deutliche Sprache gesprochen. Die Absperrungen draußen, die Polizisten, die Menschen in den weißen Anzügen, sie alle sprechen eine deutliche Sprache. Ich wische über meine Jeans. Meine Hände sind immer noch schweißnass – oder schon wieder? Habe ich Nicole geküsst? Auf die Stirn, als sie dalag? Ich erinnere mich nicht.
Die TSA-Beamten sind weg, und es dauert nicht lange, bis der erste Koffer fliegt. Wahrscheinlich wissen es die anderen auch. Die Glastüren sind ungeschützt, und der kleine Mann mit der Halbglatze und der getönten Brille dreht sich wie ein Diskuswerfer um die eigene Achse, in den Händen einen grauen Hartschalenkoffer. Er stößt einen Schrei aus, als er den Koffer loslässt. Glas splittert, die Hartschale prallt ab, kracht zu Boden.
Einige klatschen Beifall, ich auch. Ein kopfgroßes Loch klafft in der Scheibe, ringsherum ein Spinnennetz aus Rissen im Sicherheitsglas. Ein brauner Lederkoffer fliegt hinterher, richtet jedoch nicht viel Schaden an. Jemand schmeißt eine kleine Metallbox, könnte ein Schminkkoffer sein, ich glaube, es ist die dicke Frau von vorhin, und die Tür prasselt in winzigkleinen Würfeln zu Boden. Ein gläserner Wasserfall. Wieder Beifall und Johlen. Der Weg ist frei.
»Los!«, ruft der Mann mit der Halbglatze. »Nichts wie raus hier!«
Vom Parkplatz her ertönt ein Megafon. »Bleiben Sie im Terminal! Ich wiederhole: Verlassen Sie unter keinen Umständen das Terminal!«
Ich gehe näher ran.
Der Mann mit der Halbglatze stellt sich in den Türrahmen. »Das ist ein freies Land!«, brüllt er hinaus.
»Gehen Sie zurück!«, antwortet das Megafon.
Auf einmal ist es sehr still.
»Ihr könnt uns hier nicht einsperren!«, schreit der Mann. Er tritt einen Schritt nach draußen. »Wir wollen endlich wissen –« Ein Pfeifen, ein dumpfes Ploppen, und er kippt nach hinten. Er liegt da, inmitten der kleinen gläsernen Würfel, die Arme ausgebreitet, als könne er die ganze Welt umarmen, und jemand schreit: »Die schießen! Verdammt, die schießen!« Und Panik bricht aus.
Ich suche Deckung hinter einem Blumenkasten. Menschen rennen an mir vorbei. Jemand zieht den Mann mit der Halbglatze zurück ins Terminal. Seine Augen sind geschlossen, sein Gesicht ist schmerzverkrampft.
Er presst beide Hände auf den Bauch, er scheint wieder bei Bewusstsein zu sein. Mein Blick folgt ihm, doch ich sehe kein Blut, auch auf den Fliesen nicht.
»Bleiben Sie im Terminal«, wiederholt das Megafon. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit.«
Gummigeschosse, denke ich. Das war ein Gummigeschoss.
Ich warte geduckt hinter der niedrigen Mauer. Es fallen keine weiteren Schüsse mehr. Ich stehe auf. Die Leute beruhigen sich langsam wieder, doch sie bleiben auf Abstand zum Eingang, zu den Glastüren. Die Fensterfront ist verwaist. Der Aufstand ist vorbei, noch bevor er begonnen hat.
Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Direkt neben mir knickt ein junges Mädchen ein. Instinktiv greife ich nach ihr, aber ich komme zu spät. Sie fällt auf die Knie, ihr Kopf kippt zur Seite, zieht das blonde Haar wie einen Fächer hinter sich her, ihr Körper schlägt auf den Boden. Ich stehe über ihr, drehe sie vorsichtig auf den Rücken. Sie ist ohnmächtig. Ich suche nach einer Verletzung, nach der Stelle, an der das Gummigeschoss sie getroffen hat, und dabei denke ich: Ich habe gar keinen Schuss gehört. Und außerdem sind wir ein ganzes Stück von der zerstörten Glastür entfernt. Irgendwo unter der
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