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Terra Anchronos (German Edition)

Terra Anchronos (German Edition)

Titel: Terra Anchronos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andree Leu
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pausenlos und erzählte, dass es noch gar nicht so lange her sei, dass man auch in guten Häusern auf Stroh genächtigt habe. Mit dem Versprechen, Arnes Mutter am nächsten Tag ins Dorf zu begleiten und endlich Schuhe und ein Kleid zu kaufen, legte Martha sich ins Bett. Kaum war die Mutter aus dem Raum gegangen, zog Martha das Strohlager auf den Boden vor das Fenster, hüllte sich in eine warme Decke und wartete zufrieden auf den Schlaf.
    Kurze Zeit später kratzte es jedoch an der Tür und Arne schlich ins Zimmer. Ohne Umschweife legte er sich neben Martha. Die Köpfe der beiden lagen dicht beieinander. Ihre warmen Körper unter der Decke verdrängten die kalte Nachtluft, die durch das offen stehende Fenster in das Zimmer drang. Martha flüsterte.
    „Der Navigator – das war der Mann, der mich auf den Schultern trug – war vollkommen aus dem Häuschen. Immer wieder musste ich das Datum nennen, und ebenso oft fragte er die anderen, ob er es denn nicht schon immer gesagt habe. Auf diese Faulkammer könne man sich verlassen. Es sei so, dass nach ihrem Rhythmus auch eine Uhr zu stellen sei. Nur gut, dass man ein zuverlässiges Ereignis habe, mit dem der Zeit ein Maß gegeben werden könne.“
    „Haben denn die Subtektonen keine Uhren?“
    Arne hielt die Vorstellung für völlig abwegig.
    „In der Terra anchronos gibt es keine Zeit. Wer in ihr lebt, wird nicht älter. Kinder bleiben Kinder und Greise sind auf immer alt. Niemand kann sterben, weil einfach keine Zeit vergeht.“
    Arne kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Deshalb bist du also zweihundert Jahre alt geworden und siehst aus wie zwölf.“
    „196 Jahre“, korrigierte Martha. „Mach mich nicht älter, als ich bin.“
    Arne drehte sich zu Martha um und schaute ihr ins Gesicht. „Warum habt ihr nicht einfach auf das nächste Schiff gewartet? Auf der Nordsee ist so viel Verkehr. Es hätte bestimmt nicht lange gedauert, bis man euch entdeckt.“
    „Wenn du nicht so viele Fragen stellen und endlich zuhören würdest, könnte ich es dir erklären.“
    Arne nahm wieder seine alte Position neben Martha ein und suchte ihre Hand, die er sanft drückte, was Martha als Aufforderung deutete, in der Geschichte fortzufahren.
    „Mit einem Mal gab es große Aufregung unter den Subtektonen. Alle rannten so schnell es ging auf einen bestimmten Punkt der Insel zu. Von allen Seiten kam das Wasser schnell näher und die Fläche, auf der man stehen konnte, wurde immer kleiner. Erst habe ich mich gewundert, wohin die Subtektonen einer nach dem anderen verschwanden. Doch dann sah ich die Spalte im Boden. Ein entsetzlicher Gestank stieg aus ihr empor. Ein Wind aus dem Innern brachte den widerlichen Geruch mit. Er wurde immer schwächer.
    Gleichzeitig aber schloss sich auch die Spalte ganz allmählich. Immer schneller sprangen die Subtektonen dort hinein. Das Wasser kam schon gefährlich nahe.
    Der Navigator schrie aufgeregte Befehle und scheuchte die letzten Subtektonen. Dann nahm er mich von seiner Schulter und sprang mit mir zusammen einfach in die schon fast geschlossene Spalte. Es war im letzten Augenblick, denn das Wasser der Nordsee schlug nur einen Atemzug später über der Insel zusammen.“
    „Ihr konntet gar nicht auf ein Schiff warten, weil die Insel plötzlich unterging?“
    Martha nickte. „Es ist noch niemals jemandem gelungen, die Terra anchronos zu verlassen.“
    „Aber du hast es doch geschafft!“ Arne rief die Worte so laut und voller Begeisterung, dass zu befürchten war, die Eltern hätten ihn gehört. Sofort presste Martha ihre Hand auf Arnes Mund. In der angespannten Stille spürte der Junge, dass Marthas Körper unter heftigem Schluchzen bebte. Vorsichtig befreite er sich von Marthas Hand, horchte noch einmal in Richtung der Tür und flüsterte.
    „Martha! Was hast du denn? Warum weinst du?“
    Es dauerte eine geraume Weile, bis Martha sich so weit beruhigt hatte, dass sie eine verständliche Antwort geben konnte.
    „Ich habe nie vorgehabt, die Terra anchronos zu verlassen. Ich stand in der Nacht mit den anderen auf der Faulkammer. Der Navigator war schrecklich enttäuscht, weil kein einziger Stern am Himmel zu sehen war. Alles war voller Wolken und Blitze zuckten am Himmel. Es war gespenstisch. Gleichzeitig aber auch so schön und faszinierend, dass ich nicht bemerkt habe, wie das Wasser in meine Holzschuhe lief, den Rock durchnässte und meine Beine umspülte. Ich habe geweint, weil die schreckliche Erinnerung an meinen Stiefvater und die Nacht

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