Terra Anchronos (German Edition)
Schranktür ins Schloss und ging aus dem Raum. Arne folgte ihm und schaute den Gang entlang. Schon glaubte der Junge alle Sorgen vergessen zu können. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Die Bewegung war noch nicht ganz ausgeführt, da kehrte der finster blickende Mann zurück. Unsanft packte er Arne an den Schultern und schob ihn in die Kammer zurück.
Arne setzte sich wieder auf die Kiste, als könne er damit verhindern, dass auch sie durchsucht würde. Er sah zu, wie sein Bett nach al en Regeln der Kunst und in bewundernswerter Schnelligkeit auseinandergenommen wurde. Nichts kann man vor diesem Mann verstecken.
Das wurde Arne zur fürchterlichen Gewissheit.
Es war nur eine Blick, mit dem der Mann Arne bedeutete, sich zu erheben. Der Junge wollte zögern, erinnerte sich dann aber an die Worte seines Vaters.
Widerstand war zwecklos. Arne schloss die Augen. Er hörte, wie der Deckel der Kiste quietschend aufging.
Das Nächste, was er vernahm, waren ein lautes Türknallen und schnell davoneilende Schritte.
Ungläubig öffnete Arne die Augen.
Die Seekiste war leer.
Alles oder nichts
In Arne war die Bewunderung für Marthas Geistesgegenwart in schwindelerregende Höhen gestiegen. Sie hatte den kurzen Moment genutzt, in dem der schwarze Mann die Kammer verlassen hatte, um schnell aus der Seekiste zu steigen und sich im Schrank zu verstecken. Arne fand es einfach genial, dass Martha die einzige Schranktür gewählt hatte, die der schwarze Mann nach der Durchsuchung wieder ins Schloss geworfen hatte. Eine weitere geschlossene Tür wäre ihm womöglich aufgefallen.
Der gefährlichste Teil der Reise wäre geschafft, versicherten die Kinder sich gegenseitig immer wieder, obwohl sie von der Gefahr im Panamakanal vorher nichts geahnt hatten. Sie wussten auch nicht, was ihnen bis zur Datumsgrenze, die in etwa zwei Wochen erreicht werden sollte, noch alles bevorstand.
Zunächst galt es, den Äquator zu überqueren. Ein großes Fest war geplant. Arne sollte die Hauptperson sein, denn er war der Einzige an Bord, der noch nie von der nördlichen Halbkugel der Erde in die Südliche gereist war. Selbst die Mutter hatte den Äquator schon überquert und war vor langen Jahren bereits nach Seemannsart getauft worden. Nun war Arne an der Reihe. Der Junge konnte die Vorfreude kaum ertragen und war ständig auf der Kommandobrücke des Schiffes zu finden, um nur ja nicht den Augenblick zu verpassen, in dem die Südhalbkugel ihn willkommen heißen würde. Bedauerlich fand er nur, dass Martha nicht mitfeiern konnte.
Martha machte oft einen niedergeschlagenen Eindruck, weil sie nun schon seit mehreren Wochen die Kammer nicht verlassen hatte. Sie war zwar geräumig, mit der Zeit wurden die vier Wände für das Mädchen aber doch recht eng. Einige Male schon waren die Kinder etwas mutiger geworden. Sie hatten sich des Nachts, wenn alle Matrosen ruhten und nur der Steuermann Wache hielt, an Deck geschlichen und den wunderschönen Himmel betrachtet, an dem viel mehr Sterne strahlten als zu Hause. Arne und Martha genossen den Anblick und liebten es, den warmen Wind auf der Haut zu spüren. Er schien ihnen schon aus der Südsee zu kommen, dem Ziel ihrer Reise.
Die Feier am Äquator hätte sicherlich noch mehr Abwechslung in Marthas eintöniges Leben unter Deck gebracht. Es blieb aber unmöglich. Deswegen verbot das Mädchen sich auch jede Klage, um Arne nicht die Freude zu verderben.
Ganz aufgeregt stand Arne an dem ersehnten Tag der Äquatorüberquerung an Deck des Schiffes. Er war umringt von al en Besatzungsmitgliedern, die lustig schwatzend und mit fröhlichen Gesichtern auf die Ansprache des Kapitäns warteten. Arnes Vater hatte, entgegen seiner Gewohnheit an Bord, die Kapitänsuniform mit den goldenen Streifen am Ärmel angelegt. Die Mütze saß korrekt auf dem Kopf. Der Kapitän ließ sich nicht anmerken, dass ihm viel zu warm war. Alle anderen hatten bei den tropischen Temperaturen nur kurze Hosen und leichte Hemden an. Die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass Arne glaubte, Wasser zu atmen. Er schwitzte, wischte sich aber nicht den Schweiß von der Stirn, sondern behielt seinen Vater erwartungsvoll im Auge.
„Neptun ist nicht entgangen“, begann der Kapitän endlich, „dass an Bord dieses schönen Schiffes ein Mensch ist, der feierlich in den Kreis derer aufgenommen werden muss, die begehren, das südliche Hoheitsgebiet seines Reichs zu befahren. Heißen wir den Herrscher aller Meere, nördlich und
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