Terra Mater
Öffnungen ausgingen, die so schwarz waren, dass sie glänzten. Der Rest des Körpers verschwamm oder befand sich im Nichts – so als hätte er sich nicht entscheiden können, Form anzunehmen.
Tixus Herz verkrampfte sich, doch jetzt wusste er, dass die Stunde gekommen war, die Schwelle zu jener Welt zu überschreiten, die das Monster bewachte. Und er begriff auch, dass seine Tochter Yelle ihn alle die Jahre auf diese Begegnung vorbereitet hatte. In ihrer Kindersprache hatte sie ihm von dem Erzfeind erzählt und war verschwunden,
um ihren Vater zu zwingen, im Herzen der Hymlyas Zuflucht zu suchen und diese Höhle zu betreten, in der einst der Narr der Berge gelebt hatte …
Die Stunde war gekommen, in der er den Weg des ihm vorgezeichneten Schicksals weitergehen und den Blouf auf seinem eigenen Terrain herausfordern musste. Viel mehr noch: Er musste die Ideale der Menschheit und der Schöpfung nach Hyponeros tragen oder wie Stanislav Nolustrist gesagt hatte, Brouhaer, dem Dämon des Nichts’, das Herz durchbohren.
Auch die Worte des sadumbischen Imas, Kacho Marum, kamen ihm wieder in den Sinn: »Solltest du nicht dein Schicksal vollenden, wird bald kein menschliches Wesen mehr würdig sein, das Geschenk des Lebens zu bewahren …«
So war aus Tixu Oty Sri Lumpa – der Herr der Echsen – geworden. Es war kein leerer Titel. Tixu war auserwählt worden, an der Spitze einer kleinen Streitkraft den erbarmungslosesten Feind zu bekämpfen, dem die Menschheit jemals gegenübergestanden hatte.
Doch er hatte diese Verantwortung auf Shari abgewälzt, um sich auf seine Liebe zu Aphykit konzentrieren zu können. Diese Verantwortungslosigkeit hatte seinen Adoptivsohn wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt und die Pilger dazu gebracht, sie zu verlassen.
Liebe kleine Yelle, flehte er stumm, du kannst jetzt wieder ruhig schlafen, für dich werde ich dem Blouf gegenübertreten, dem alles verzehrenden Bösen. Für dich werde ich Millionen Sterne wieder zum Leuchten bringen … Liebe kleine Yelle, habe ich dir schon einmal von dem Tixu erzählt, der ich einst war? Habe ich dir von dem kleinen Angestellten des Intergalaktischen Transportunternehmens erzählt,
von einem Mann, der im feuchten Klima des Planeten Zwei-Jahreszeiten, im Alkohol und seinen Ängsten dahinvegetierte, einem Mann, den der Blouf bereits angefressen hatte? Von diesem armen Sterblichen, der dich noch nicht gezeugt, noch nicht gekannt hatte? Liebe kleine Yelle, habe ich dir schon gesagt, dass du mein Stolz bist, das Schönste, das ich je zustande gebracht habe, mein Meisterwerk?
»Tixu?«
Er öffnete die Augen. Sonnenlicht fiel in die Grotte in goldenen Strahlen. Aphykit stützte sich auf einen Ellbogen und sah ihren Mann eindringlich an. Tiefe Schatten lagen unter ihren blaugrünen Augen.
»Du hast das Wort ›Blouf‹ gesagt, gelacht und zugleich geweint …«
Tixu hätte am liebsten weiter gelacht und geweint; weil Aphykit aufgewacht war und er sich darüber freute, und geweint, weil er sie gleich verlassen musste. Denn Aphykit war seine Sonne, ein unvergleichliches Geschenk der Götter.
»Yelle!«, rief sie, als falle ihr plötzlich wieder ein, dass ihre Tochter verschwunden war.
Sie schob ihre Decke zurück und stand schnell auf.
»Beruhige dich«, murmelte Tixu und betrachtete den Körper seiner Frau, von schmerzlicher Liebe erfüllt. »Sie sitzt vor dem Strauch des Narren im Dorf und wartet auf uns, wie immer …«
Aphykit erkannte intuitiv, dass ihr Mann die Wahrheit sagte. Fast heiter, aber ungeduldig, ihre Tochter wieder in die Arme schließen zu können, küsste sie ihn auf den Mund.
»Habe ich dir schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?«, sagte sie, als sie ihre Hosen anzog.
Tixu bedauerte ihre Eile, aber die nächtliche Geliebte machte jetzt der Mutter Platz, und er liebte Aphykit umso mehr.
Hand in Hand gingen sie zum Dorf zurück. Der Himmel war blassblau, so als hätte der dreitägige Regen die Farbe herausgewaschen. Zwischen den schneebedeckten Berggipfeln kreisten die großen schwarz-weißen Aïoulen und stießen heisere Schreie aus. Wasser tropfte noch immer von Büschen und Bäumen. Doch es würde ein schöner Frühlingstag werden.
Yelle saß neben dem Busch mit den leuchten Blüten. Als sie ihre Eltern den Hügel herunterlaufen sah, stand sie gegen ihre Gewohnheit auf und rannte ihnen entgegen. Der Sturm hatte den bereits begonnenen Zerfall der Hütten vollendet. Nur das Haus von Naïa Phykit und Sri Lumpa war noch
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