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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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leisten«, sagte San Francisco. »Ich appelliere an eure Hochherzigkeit und an eure Menschlichkeit. Lasst diese drei Gocks und Phoenix frei! Mit mir könnt ihr machen, was ihr wollt.«
    »Noch eine solche Rede, Gock-Freund, und ich durchlöchere dein Herz mit meiner Waffe! Tritt zu den anderen!«
    Jek warf einen kurzen Blick hinter sich. Sie standen auf einem Eisplateau, der Zirkus der Tränen befand sich etwa dreißig Meter unter ihnen. Eine Treppe konnte er nicht entdecken. Also vermutete er, die Gardisten würden sie
hinterstoßen oder zwingen, hinunterzuspringen. Was auf dasselbe herauskam. Sie würden sich alle Knochen brechen. Doch trotz dieser wahrhaft düsteren Aussicht blieb er heiter und gelassen – ganz ruhig, als stünde er neben sich.
    Hat man immer diese Distanz dem eigenen Tod gegenüber?, fragte er sich.
    Ein Gardist nahm ein Schlüsselbund aus seiner Tasche, ging zu den Gefangenen und schloss mit unsicheren Gesten ihre Fußfesseln auf. Die Ketten ließ er einfach liegen und kehrte – wohl aus Angst – schnell zu seinen Kameraden und seinem Gewehr zurück.
    »Zieht euch aus!«
    San Francisco warf Phoenix und Jek einen verzweifelten Blick zu. Mit einer wütenden Geste löste er die Schließe von seinem Cape. Es glitt mit einem Rascheln von seinem Körper.
    »Erlaubt wenigstens dem Jungen, seine Unterwäsche und seinen Mantel anzubehalten«, sagte Marti, der sich bereits völlig entkleidet hatte.
    Dass sich das Verhalten Martis so plötzlich ins Gegenteil kehrte, brachte Jek aus der Fassung. Warum ergriff er jetzt für ihn Partei? Hatte er etwa das Monster in ihm überwunden?
    »Es spielt keine Rolle, ob er ein Kind ist oder nicht. Er gehört zu diesem verpesteten Gesindel!«
    »Was macht das schon aus«, sagte Marti beharrlich. »In ein paar Wochen lebt ihr auf eurem himmlischen Jer Salem, und die unreinen Menschenrassen können euch nichts mehr anhaben …«
    »Du kommst dir wohl besonders schlau vor, dreckiger Gock! Hilf lieber dem Kind, sich auszuziehen. Sollte es
nicht innerhalb der nächsten Minute nackt sein, durchbohre ich euch beiden den Kopf und das Herz.«
    Überlebenschance: gleicht null. Neue Zielsetzung notwendig, kalkulierte sofort der Dämon.
    Marti ging zu Jek, entknotete die Stofffetzen, die den Mantel des Jungen zusammenhielten, zog ihm die Stiefel und seine Unterwäsche aus.
    Sofort wurde der kleine Anjorianer von einem derartigen Gefühl der Kälte ergriffen, dass er sie als Brennen empfand. Tausende kleiner, weiß glühender Klingen zerschnitten sein Fleisch. Aus Angst, seine Knochen würden wie trockenes Holz zersplittern, wagte er nicht mehr, sich zu bewegen.
    Doch gleich darauf spürte er eine wohltuende Wärme auf Rücken und Schultern. Phoenix hatte sich mit ihrem Körper an ihn gepresst und die Arme um ihn geschlungen.
    »Runter in den Zirkus!«, schrie der Gardist und schoss eine Salve aus seinem Gewehr ab, direkt vor die Füße der Gefangenen.
    San Francisco und Phoenix nahmen Jek an die Hand und gingen zum Rand der Senke. Sie sprangen nicht, wie der Junge geglaubt hatte, sondern der Jersaleminer setzte Jek auf seinen Schoß und ließ sich an der Wand hinuntergleiten.
    Sie war weniger steil als vermutet, trotzdem wurde er immer schneller und konnte seine sitzende Position nicht beibehalten. Er rutschte über einen Vorsprung, Jek entglitt ihm, überschlug sich und fiel nach unten. Eine dicke Schneeschicht dämpfte seinen Fall, doch der Schock und die Kälte waren so groß, dass er nicht aufstehen konnte.
    »Bleib nicht liegen!«, rief San Francisco. »Du musst dich bewegen!«

    Er war in etwa zwanzig Metern Entfernung von dem kleinen Anjorianer in Eis und Schnee gelandet. Das Blut aus seinen Wunden an Rücken und Beinen gefror sofort. Phoenix, Robin und Marti landeten ebenfalls auf dem Boden des Zirkus’ der Tränen.
    »Bewegen Sie sich! Stehen Sie auf!«, sagte Phoenix und half dem alten Syracuser.
    »Was nützt das noch?«, seufzte Robin. »Wir zögern den Tod doch nur kurze Zeit hinaus …«
    »In der Neuen Bibel steht: ›Lebe, lebe noch einen Tag, lebe noch ein paar Minuten, lebe noch ein paar Sekunden: Sie können sich jederzeit in eine Ewigkeit verwandeln …‹ Also, bewegen Sie sich!«
    Robin kämpfte auf der Stelle, mehr, um ihr einen Gefallen zu tun als aus Überzeugung, den schon konnte er seinen Körper nicht mehr fühlen.
    Jek hatte San Franciscos Stimme wie aus weiter Ferne gehört, aber er besaß weder Kraft noch Willen, seine Glieder zu bewegen.

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