Terra Mater
Dringlichkeit dieses Gesprächs …«
»Worum handelt es sich?«
»Oniki Kay steht kurz vor der Entbindung. Sie befindet sich oben auf dem Korallenschild …«
»Unter Normalisierung versteht er wahrscheinlich die Amtsenthebung des derzeitigen Muffi Barrofills XXIV., Sieur Xaphox«, sagte der Kardinal mit jenem affektierten Tonfall, den er für intelligent hielt.
»Wir suchen nach einer Lösung dieses lästigen Problems, das nur entstanden ist, weil sich der Muffi weigert, in angemessener Form mit den augenblicklichen Machthabern des Ang-Imperiums zusammenzuarbeiten …«
Kardinal d’Esgouve betrachtete die im Luftzug unter der Decke hin und her schwebende Licht-Kugel. Auch er hatte daran gedacht, sich als Kandidat zur Wahl eines neuen Muffis aufstellen zu lassen, aber nach eingehender Beratung mit seinen Kardinalskollegen – natürlich unter dem Schutz
von wenigstens zwanzig Gedankenhütern – darauf verzichtet. Ihren zwei- und dreideutigen Anspielungen glaubte er entnommen zu haben, nicht das Zeug zum Unfehlbaren Hirten zu haben. Wenn er sie jedoch wählte, konnte er sich gute Chancen auf eine seinen überragenden Qualitäten angemessene Stellung ausrechnen. Entweder einen Posten als Gouverneur eines der Hauptplaneten oder ein ranghohes Amt im bischöflichen Palast von Venicia.
»Woher wissen Sie, dass das Kind bald geboren wird?«
Eine stupide Frage für einen Scaythen der oberen Ränge, der ständig mit den Basisdaten der Matrix in Verbindung stand.
»Durch die Gefühle, die ich im Gehirn der Gebärenden lese.«
»Und im Gehirn des Kindes lesen Sie nichts?«
»Haben Kinder schon im Leib ihrer Mutter ein Gehirn?«
»Dumme Frage für einen Keimling … Die im Matrix-Bottich erfolgten historischen Implantate besagen, dass Menschen ihre sogenannte Seele bereits vor der Zeugung besitzen.«
»Das ist nichts als eine auf religiösen Dogmen basierende Interpretation … Menschen pflanzen sich wie Säugetiere fort. Und Säugetierembryonen sind nur mit Instinkt-Implantaten ausgestattet. Ein neugeborener Mensch, der von Tieren aufgezogen wird, wird zu einem Tier, eben jener Spezies, die ihn adoptiert hat.«
»Ein Irrtum, Keimling Phass. Die vom Konglomerat gelieferten Daten lassen keine Zweifel darüber, dass es zwischen Menschen und Tieren fundamentale Unterschiede gibt …«
Der Kardinal stand auf und ging zum großen Fenster. Er ließ seinen Blick über den Hügel aus schwarzem Gestein und den Hafen von Koralion schweifen. Rotes Licht fiel
vom Korallenschild und verlieh dem Gijen-Meer einen roten Schein, auf dem die Aquakugeln der Fischer tanzten. Er sah die eleganten Häuser mit ihren Säulengängen, die gewundenen Straßen … der Höhenwind brachte die Großen Orgeln zum Erklingen – eine ständige nostalgische Dämmerung lag über der Insel.
»Ein Detail muss noch geregelt werden«, sagte er nachdenklich, »und nicht das unwesentlichste. Das Schicksal des Muffis …«
»Der Seneschall kümmert sich darum, Eure Eminenz«, antwortete der Großinquisitor mit lauter, schriller Stimme, weil er nach seinem telepathischen Gespräch das Volumen schlecht eingestellt hatte.
»Ich bin nicht taub! Dämpft Eure Stimme, Sieur Inquisitor!«
»Verzeiht Eure Eminenz …«
»Welche Entscheidung soll getroffen werden?«, fragte der Keimling Phass. »Der Krieger der Stille, der Oniki Kay befruchtete, hat sich nicht mehr manifestiert, obwohl er nach unseren Kenntnissen gemäß des Faktors Vaterschaft wieder Kontakt mit dieser Frau hätte aufnehmen müssen.«
»Auf den Menschen angewandte Wahrscheinlichkeitsberechnungen erweisen sich oft als unbrauchbar, da sie sich nur selten von reiner Logik leiten lassen.«
»Gewiss. Die Chancen, diesem Mann wiederzubegegnen, erachte ich für weniger als fünf Prozent. Es existiert aber eine Möglichkeit von fünfzig Prozent, dass dieses Kind den Ur-Menschen angehört, unseren Erzfeinden.«
»In diesem Fall ist die Lösung einfach. Ich werde sofort zehn Pritiv-Söldner zu den Koordinaten schicken, die Sie mir angeben. Mit folgendem Befehl: die Mutter nach ihrer Niederkunft zu töten und das Kind am Leben zu lassen. Es
wird uns als Köder und Versuchstier dienen. Auf diese Weise können wir auf zwei Ebenen operieren. Neue Kommunikation in fünf Minuten.«
Der Kardinal drehte sich um und zwang sich, Xaphox’ starrem Blick aus den gelben, pupillenlosen Augen nicht auszuweichen.
»Dieses Projekt des Seneschalls und des Muffis Bar… des künftigen Muffis der Kirche
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