Terra Mater
gespreizt. Ihr keuchender Atem wurde vor Schmerzen schneller; sie stöhnte und schrie. Das Kind kam. Sie hatte
keine Kraft mehr, ihm bei seiner Geburt zu helfen. Deshalb merkte Oniki nicht, was um sie herum geschah.
Intuitiv und mit letzter Anstrengung packte sie den kleinen Menschen und zog ihn aus sich heraus. Dann legte sie ihn an ihre Brust und streckte sich aus. Sie spürte sein Herz schlagen, er war warm und weich, schrie aber nicht.
Ihr Kind … Erst da merkte sie, dass sie nicht einmal nachgesehen hatte, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen geboren hatte. Es war ein Junge.
Ein Prinz für ihren Prinzen.
Er hatte große Augen und sah sie ernst und zärtlich an. Die Tiefe seines Blicks verwunderte sie. Hieß es doch, dass Neugeborene erst nach einigen Wochen ihre Umgebung wahrnähmen. Aber ihr Sohn sah sie wie ein Erwachsener an, ein durchdringender intelligenter Blick.
Sie hob den Kopf und nahm die Bewegungen von einigen in rotes Licht getauchten Gestalten war: Männer in grauen Uniformen mit ineinanderverschlungenen Dreiecken auf der Brust und weißen Masken vor den Gesichtern.
Wie sind sie hierher gekommen?, dachte Oniki. Nur Thutalinen beherrschen die Kunst, in den Korallen-Orgeln zu klettern.
»Der Scaythe will das Kind lebend! Tötet nur die Frau! Und benutzt nicht die Wurfgeräte«, befahl einer der Männer mit durch den Mundschlitz der Maske verzerrter näselnder Stimme.
»Der Junge ist noch nicht abgenabelt«, sagte ein anderer.
»Na, und? Schneidet zuerst der Frau die Kehle durch, dann die Nabelschnur ab.«
Etwa zehn Männer gingen auf Oniki zu. Ihre Schritte ließen den Korallenschild erbeben. Einige hatten ihre Krummdolche gezückt.
»Wie ist die nur hierher gekommen?«
»Sie ist eine Thutalin, eine Verbannte, und kennt sich mit Korallen aus.«
»Ich hoffe nur, dass der Ovalibus des Scaythen pünktlich ist. Der Schild kommt mir nicht sehr solide vor.«
»Er ist zwar langsamer als eine Reise mit Deremat, aber in zwei, drei Stunden dürfte er hier sein.«
Oniki versuchte aufzustehen, doch ihre Beine versagten den Dienst. Angst überfiel sie, und sie presste ihren Sohn an sich, voller Verzweiflung.
Einer der Söldner riss brutal an ihren Haaren und ihren Kopf nach hinten. Ihre Kehle war frei.
»Verdammt! Was ist das?«, rief einer der Männer.
Der Pritiv-Söldner hielt in der Bewegung inne und warf einen Blick über die Schulter. Zuerst glaubte er, das erstarrte Korallenmeer werde plötzlich von heftigem Wellengang belebt.
»Verdammt! Riesenschlangen!«
Unzählige Reptilien bewegten sich fließend mit erhobenen Köpfen und weit aufgerissenen Mäulern auf sie zu; Fangzähne blitzten auf. Manche der geschuppten Körper waren dreißig Meter lang. Ihre Augen funkelten grün – ein seltsamer Kontrast zu dem blutroten Himmel.
Die Pritiv-Söldner schoben einen Ärmel ihrer Uniform hoch. Die runden Metallscheiben auf den am Unterarm befestigten Wurfgeräten wurden sichtbar.
»Verschont das Kind!«, schrie einer von ihnen.
Die ersten Scheiben flogen surrend durch die Luft und köpften mehrere Schlangen. Ihre Körper krochen noch Meter weiter, ehe sie zuckend liegen blieben. Aber vom Geruch des Bluts herbeigelockt, kamen schnell weitere Tiere.
So wurden die Söldner von ihren Gegnern überwältigt.
Die kurzen Dolche der Männer erwiesen sich im Kampf mit den Reptilien als völlig nutzlos. Mit ihren muskulösen Schlangenkörpern umschlangen sie ihre Opfer, bohrten ihre Fangzähne in deren Hälse und würgten sie hinunter.
Nach und nach trat wieder Ruhe auf dem Korallenschild ein. Die Schlangen, die die Söldner verschlungen hatten, wirkten wie gelähmt, so sehr waren sie mit der Verdauung beschäftigt. Die anderen hatten sich um Oniki zusammengerollt.
Die junge Frau ergriff einen der am Boden liegenden Dolche und durchtrennte die Nabelschnur, die sie noch immer mit ihrem Sohn verband. Dann gab sie ihm zum ersten Mal die Brust, und eine unendliche Freude erfüllte sie, als er trank.
Sie beschloss, ihn Tau Phraïm zu nennen. Tau, weil er unter dem roten Sonnengestirn geboren war, und Phraïm, weil dies der Name der Korallenschlange in Alt-Ephrenisch war.
Die weiß maskierten Männer hatten gesagt, ein Ovalibus werde in ein, zwei Stunden kommen. Oniki schloss daraus, dass die Scaythen von Hyponeros ihre Gedanken überwachten und dass das Erscheinen dieser Männer in direktem Zusammenhang mit ihrem Prinzen stehen müsse.
Solange sie von den Schlangen beschützt wurde, riskierte
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