Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
Vom Netzwerk:
blutdürstige und eroberungswütige Raubtiere. Wie haben keine Angst, unsere niederen Instinkte auszuleben. Wie unsere Vorfahren werden wir nicht zögern, Tod und Verderben zu säen …
    »Nun, Marti, was ist?«, fragte Burphi de Kervaleur, weil ihn das wütende, fast hasserfüllte Funkeln in den Augen seines Sohns beunruhigte.
    Marti riss sich zusammen und stellte augenblicklich seine autopsychische Selbstkontrolle wieder her.
    Mit unbewegtem Gesicht antwortete er: »Ihr habt sicher Recht, Vater. Gewisse Feinheiten der höfischen Sprache sind mir noch nicht geläufig.«
     
    Die Saphyr-Sonne ging am Horizont in einem prächtigen blauvioletten Farbenspiel unter. Die Konturen des kaiserlichen Parks verschmolzen mit der beginnenden Nacht. Nur der diffuse Schein der Licht-Kugeln wurde von den mit weißem Steinsalz bestreuten Alleen reflektiert, an deren Rändern die Logen der Höflinge wie aufgereiht parkten. Flackernde Lichter brannten in den Lampen-Pinien, Bäume, die Gärtnermeister aus den Reusen-Gigantropen importiert hatten.
    Auf einem der sieben Hügel von Caracalla errichtet, dominierte der kaiserliche Palast Romantigua, das historische Viertel Venicias. Vom höchsten Aussichtspunkt hatte man einen herrlichen Blick über die breiten, mit beleuchteten Blumen gesäumten Alleen, die Fontäne aus rosafarbenem Optalium und den Platz in der Mitte mit seinem legendären Bestiarium, den eleganten Marmorbrücken, die sich über die Mäander des träge dahinfließenden Tiber Augustus’ spannten, auf denen sich Galeassen mit Gütern und
Fahrgästen tummelten … Ein einzigartiges Panorama, dessen Schönheit leider durch die hässlichen Wachtürme der Gedanken getrübt wurde.
    Der 22. Frascius war zum universellen Feiertag erklärt worden, und die Venicianer genossen die köstliche Frische der Zweiten Nacht und drängten sich vor den vielen, auf dem zentralen Platz stattfindenden Darbietungen.
    Noch war für Marti de Kervaleur die Zeit des Vergnügens nicht gekommen. Erst musste er seine Pflicht erfüllen, die Regeln der Etikette befolgen, das Kaiserpaar begrüßen, das jetzt von dem Muffi und dem Seneschall flankiert auf der Terrasse vor dem Palast erschienen war. Nur langsam kam die Prozession der Adeligen und Würdenträger, begleitet von ihren Gedankenschützern, voran. Wie bunte Schmeißfliegen einen Kadaver umschwirrten sie den Imperator und seine Gemahlin, um das Almosen einer Geste, eines Lächeln oder eines Versprechens zu ergattern. Die mentale Kontrolle ließ ihr Lächeln auf den geschminkten Gesichtern zu einer Maske erstarren, doch ihre schwarz umränderten Augen verrieten Hass und Verachtung. Trotzdem herrschte Neid unter ihnen. Standen sie erst einmal vor dem Imperator, priesen sie seine Weisheit und die Schönheit Dame Sibrits nur, um eine Gunst zu erlangen …
    Burphi de Kervaleur war das unwürdige Gedränge seiner Standesgenossen gewöhnt und steuerte Frau und Sohn mit der Sicherheit eines sturmerprobten Kapitäns durch die Menge.
    Marti warf einen ängstlichen Blick auf die Wanduhr über dem Hauptportal. Er fragte sich, ob seine Mashama-Freunde auf ihn warten würden. Vor lauter Ungeduld hätte er am liebsten seinen Dolch gezogen und ihn einem dieser Hofschranzen bis zum Heft in den Leib gestoßen.

    Plötzlich hatte er das Gefühl, etwas Kaltes winde sich in sein Gehirn. Er schüttelte ein paar Mal den Kopf, um dieses unangenehme Gefühl zu verscheuchen. Doch das Kältegefühl blieb, es schien sich sogar in seinem Kopf auszubreiten und glich einem fremden Körper, der langsam von ihm Besitz ergriff.
    Von Angst gepackt, drehte er sich um, konnte aber in der Menge nirgends seinen Gedankenschützer in dem weißen Kapuzenmantel entdecken. Da fühlte er sich mit einem Mal ohnmächtig und verletzlich, von Gefahren umgeben. Denn die überall anwesenden Inquisitoren konnten seinen Geist jetzt ungehindert erforschen. Kalter Schweiß bedeckte seinen Körper unter dem Colancor. Unter Aufbietung letzter Kraft gelang es ihm, seine mentale Kontrolle so weit wieder zu erlangen, um nicht panikartig zu fliehen.
    Der kalte Tentakel verschwand ebenso schnell wie er gekommen war. Erleichtert sagte sich Marti, dass ihn nur ein vorübergehendes Unwohlsein ergriffen haben müsse, und machte sich Mut: Ein echter Syracuser aus altem Schrot und Korn wird sich doch nicht von so einer Kleinigkeit verstören lassen!
    Ein leichter Händedruck seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. Erst da merkte er, dass er vor dem

Weitere Kostenlose Bücher