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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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begonnen habe. Eine Aufgabe, die meine ganze Kraft erfordert.«
    Harkot schwieg eine Weile. Er hatte es nicht nötig, die Psyche seines Gesprächspartners zu erkunden. Er wusste, was der Mann wollte: politische und finanzielle Unterstützung. Zwar gaben sich die großen Familien pompös, doch ihre Kassen waren leer, und sie mussten um Unterstützung betteln, damit sie ihr luxuriöses Leben fortsetzen konnten. Und das Geschichtswerk Burphi de Kervaleurs war nur ein Vorwand. Ein schlechter Vorwand dazu.
    Doch von den drei vor ihm stehenden Personen interessierten ihn nicht die Eltern.
    »Seid versichert, Sire de Kervaleur, Euer Projekt liegt Uns am Herzen. Es ist unerlässlich, die Geschichte des großen Ang-Imperiums aufzuzeichnen, und kein anderer Mann als Ihr scheint mir dafür geeigneter.«
    »Ich danke Euch für das in mich gesetzte Vertrauen, Exzellenz …«
    Und während sich Martis Eltern ein zweites Mal vor Harkot verneigten – eine Geste, die er für syracusische Adelige einem Scaythen gegenüber degradierend fand –, spürte der
junge Mann zum zweiten Mal, wie etwas Kaltes in sein Gehirn kroch. Sekundenlang hatte er das Gefühl, eine fremde Macht würde jeden Winkel seines Kopfes durchforschen, obwohl sein Gedankenschützer die Aufgabe hatte, eine un-überwindliche Barriere um sein Denken zu errichten.
    Tag und Nacht, zu jeder Stunde, werde ich die Gedanken meines Herrn schützen …
    Plötzlich hatte Marti Angst, dass sich die Gedankenschützer von ihrem Ehrencode hätten lossagen können, einem von den Smellas der alten Konföderation von Naflin etablierten Code. Was wusste man von den Scaythen? War ihnen der Ehrenkodex wirklich wichtig?
    Marti wurde plötzlich übel, ein bitterer Geschmack erfüllte seinen Mund. Seine Beine fingen an zu zittern, ein unerträglicher Druck lastete auf seiner Brust, Formen und Farben verschwanden vor seinen Augen. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, der Ohnmacht zu entgehen. Es schien, als kämpften sein Körper und sein Geist gegen einen unsichtbaren Eindringling. Er glaubte, Harkot sardonisch lachen zu hören. War er dabei, den Verstand zu verlieren?
    Er merkte kaum, wie ihn seine Eltern an den Rand der Estrade zerrten. Dort beugte er sich über die Brüstung und atmete tief die aus dem Park kommende frische Luft ein. Die Stimme seiner Mutter drang wie durch eine Wasserwand gedämpft an sein Ohr.
    »Soll Euch einer der Hofärzte untersuchen, Marti? Ihr scheint mir unter dem Hehak-Fieber zu leiden.«
    »Hehak-Viren sind zu dieser Jahreszeit nicht virulent, Mutter …«, stammelte Marti und richtete sich wieder auf. »Das ist nichts als ein leichter Schwächeanfall … nichts weiter … Mir geht es bereits besser.«

    Sie streichelte seine Schulter. Eine Geste, die ihn, wie alles andere an seinen Eltern auch, maßlos verärgerte.
    »Geht nach Hause, und ruht Euch aus. Ihr seid erschöpft …«
    »Ein weiser Rat, Mutter«, pflichtete er ihr schnell bei.
    Marti warf noch einen letzten Blick auf die angestrahlte Fassade des kaiserlichen Palastes, die Estrade, auf der sich Hofschranzen, Delegierte, Kardinäle und Diener in ihren schwarzen Colancors und Livrees drängten … Ein aufgeregter Schwarm, in dem die Gedankenschützer oder Assistenten die einzigen Fixpunkte bildeten. Die Zweite Nacht hüllte den Park in ihr schwarzes Leichentuch. Die schwebenden Licht-Kugeln und das von einer leichten Brise bewegte Geäst der Lampen-Pinien zeichneten bizarre Schattenmuster auf die Alleen. Die beiden ersten der fünf nächtlichen Satelliten glommen mit rot-orangefarbenem Licht am Horizont auf. In der Ferne konnte er die beleuchteten Avenuen und den hellen Platz Romantiguas erkennen, die Ufer des träge dahinströmenden Tiber Augustus’ und die Wachtürme der Gedanken.
    Plötzlich wurde der junge Kervaleur von einer Welle tiefer Melancholie ergriffen. Von seinem Unwohlsein in der Nähe des Seneschalls spürte er nichts mehr, doch der prachtvolle Anblick seiner Heimatstadt Venicia erfüllte ihn mit unendlicher Traurigkeit, so als könnte er dieses Schauspiel zum letzten Mal in seinem Leben genießen. Wehmut erfüllte ihn, ein Gefühl, als blute seine Seele.
    Dann drehte er sich abrupt um, straffte die Schultern, als wollte er diesen prophetischen Vogel böser Vorahnungen, der seine Fänge in sein Fleisch geschlagen hatte, von sich schütteln, und schritt davon.
    Von seinem Gedankenschützer gefolgt durchquerte er
die Menge, grüßte ein paar Bekannte, die seinen

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