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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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stieg leichtfüßig eine Leiter aufs Deck hoch.
    Der Morgenwind hatte die atomaren Zellen mit Energie aufgeladen, und jetzt glitt der Flieger etwa zwei Meter über der grauen Einöde dahin. Die Luftströme waren derart heftig, dass Jek nur mühsam das Gleichgewicht wahren konnte. Sein Turban drohte, ihm vom Kopf gerissen zu werden, sodass er ihn festhalten musste. Schließlich tastete er sich kriechend bis zur Reling vor. Dann klammerte er sich ans Geländer und beobachtete den Steuermann, der in einer gläsernen Halbkugel, dem Ruderhaus, stand.
    Als die Mannschaft den kleinen Oberirdischen entdeckte, verließ sie ihre Posten und umringte ihn. Zuerst wahrten die Wüstenratten eine gewisse Distanz, und ihre entstellten Gesichter drückten Respekt aus. Trotz ihrer Hässlichkeit fand Jek sie schöner als die eitlen Anjorianer in ihren modischen Colancors.
    Nach einigem Zögern wagten es die Wüstenratten, ihn zu berühren; sie streichelten sein Gesicht und seinen Hals. Jek verspürte keinen Ekel bei diesen Gesten, er ahnte, dass sie
ihm nicht nur danken, sondern auch wieder an ihre Vergangenheit anknüpfen wollten, als sie ein Volk gewesen waren, das noch keine Missbildungen erlitten hatte und dessen Menschen ebenso aussahen wie er.
    Sie weinten. Und obwohl er großen Hunger und Durst hatte, wagte er nicht, sich zu rühren, um den Zauber des Augenblicks nicht zu brechen. Denn sie hatten ihn vor den Raubvögeln gerettet, und er würde vielleicht nie wieder eine Gelegenheit haben, ihnen danken zu können.
    »Lasst ihn in Ruhe!«, befahl Todeskuss schließlich, und die Männer stoben wie aufgescheuchte Corvuren auseinander.
    Dann ging der Hexenmeister zu dem kleinen Anjorianer und reichte ihm einen Blechnapf und eine Feldflasche.
    »Du darfst ihnen das nicht übel nehmen … Sie sehen nur sehr selten Oberirdische … Und noch weniger einen Oberirdischen, der mit den gefleckten Hyänen spricht … Du kennst also den Dogen Papironda?«
    Jek nahm den Deckel vom Napf und stopfte sich einen der getrockneten salzigen Fladen in den Mund.
    »Recht hast du«, sprach Todeskuss weiter. »Mit vollem Bauch lässt sich besser reden … Außerdem spielt es keine Rolle, ob du ihn nun kennst oder nicht. Wichtig ist allein, dass die Botin des Sonnengestirns Hares dich zu dem dir vorbestimmten Hafen bringt … Denn allein die Prinzen der Sonne besitzen die Macht, mit den Hyänen zu reden. Die Prinzen oder die Verrückten, und ich glaube nicht, dass du ein Verrückter bist …«

SECHSTES KAPITEL
    Das Ethische Gesetz H. M. wurde verkündet im Jahr 7034 nach der alten Standardkalenderrechnung. Es zielte darauf ab, die Bedeutung der Maschinen  – oder vielmehr die der künstlichen Intelligenz – im Leben des Menschengeschlechts zu reduzieren und wurde im Laufe einer außerplanmä-ßigen Sitzung aller Repräsentanten der bekannten Planeten verabschiedet. Die künstliche Intelligenz erfuhr Ende des fünften Jahrtausends einen ungeahnten Aufschwung, inmitten der sogenannten Pharischen Ära, und erlebte ihren Höhepunkt im LXVIII. Jahrhundert. Während jener Zeit herrschte sie über die meisten Welten. Danach gewannen die ersten Propheten einer neuen Bewegung, die der Menschlichen Souveränität, an Bedeutung. Sie bekämpften diese Vorherrschaft. Zwei Jahrhunderte später, als das Ethische Gesetz in Kraft trat, fand die größte, jemals bekannte Zerstörung der Maschinen statt. Es gab Regierungen, die sich ihrer entledigten, indem sie die Maschinen einfach ins All sandten. Doch damals waren sich die Menschen der verhängnisvollen Konsequenzen ihres Tuns kaum bewusst.
     
    »Geschichte des großen Ang-Imperiums«
Unimentale Enzyklopädie

     
    D er Wind wehte durch die Rohrwerke der großen Korallenorgeln und erzeugte eine eindringliche, magische Melodie. Wenn diese tiefen, lang andauernden Tonfrequenzen auch für gelegentliche Besucher schwer erträglich sein mochten, so empfanden sie die Einwohner Koralions, der Hauptstadt des einzigen Kontinents auf dem Planeten Ephren, als die schönste aller Musiken.
    Oniki warf einen letzten Blick auf die Orgelpfeife, die sie gerade gereinigt hatte, wobei sie geschickt auf den zerklüfteten Korallenwänden das Gleichgewicht hielt. Die Riemen ihres mit den vom Himmel gefallenen Flechten gefüllten Rucksacks schnitten tief in ihre Schultern ein. Sie war mit ihrer Arbeit fertig und gönnte sich nun das sanfte Streicheln des Windes auf ihrem Körper.
    Wie die meisten ihrer Schwestern des Thuta-Ordens zog

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