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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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Stadt Koralion bewundern, ihre weißen eleganten Häuser, die sich mit ihren Säulen an die Hügel über der Bucht schmiegten, und die über breiten Avenuen schwebenden Licht-Kugeln, die flanierenden
Menschen … Zum anderen erlaubte der Blick ihnen, die Resultate ihrer Arbeit zu betrachten: Dank ihnen sangen die Großen Orgeln, wehten die Stolzen Winde, wurde das Kohlendioxid entfernt, erstrahlte das Licht der Gestirne Xati Mu und Tau Xir. Dank ihrer Arbeit ging das Leben auf dem Planeten Ephren seinen normalen Gang. Die schaumgekrönten Wellen des schwarzen Ozeans Gijen, das aus den Großen Orgeln strömende Licht in üppigen Blau- oder Rottönen, die ebenso üppig blühenden Blumen und Bäume mit ihren Düften und Früchten, das alles rechtfertigte ihren Verzicht auf die Erfüllung als Frau, um stattdessen in klösterlicher Abgeschiedenheit mit der ständigen Bedrohung durch die Schlangen leben zu müssen. In diesen Augenblicken wurde den Thutalinen bewusst, dass sie sich nicht umsonst geopfert hatten. Ohne sie, die unermüdlichen Wächterinnen des Korallenschutzschildes, die Priesterinnen von Licht und Wind, hätten sich die Hauptstadt Koralion mit ihren drei Millionen Einwohnern sowie zweihundert andere Städte unweigerlich in Totenstädte verwandelt.
    Die ersten, von dem Forschungsreisenden Manul Ephren angeführten Kolonisten hatten anfangs die Rohrwerke mit Automaten gereinigt. Aber diese Roboter hatten sich trotz ihrer Perfektion als unzulänglich erwiesen. Nur Frauen waren imstande, dank ihrer grazilen Statur und ihres Einfühlungsvermögens die Orgelpfeifen fachgerecht zu reinigen. Diese lebenswichtige Aufgabe hatte zur Innung der Reinigerinnen innerhalb des Thuta-Ordens geführt und dem Statut, dass jede ephrenische Familie per Gesetz ihre zweitgeborene Tochter dem Orden anvertrauen müsse.
    Wind und Gischt peitschten Onikis offenes Haar, während sie barfuß über die gepflasterte Brücke lief. Sie hatte nur einen Gedanken: in ihre Zelle zurückzukehren, zu ihrem
geheimnisvollen Prinzen, den sie ohnmächtig im Klostergarten aufgefunden hatte. Und ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte sie ihre Mitschwestern bereits ein Stück hinter sich gelassen.
    Die Leiterin der Gruppe ergriff Onikis Arm. »Du gehst aber schnell«, sagte Alaki misstrauisch.
    »Ich bin müde und möchte mich ausruhen«, entgegnete die junge Frau, ohne Alakis Blick auszuweichen.
    »Ich erkenne dich kaum wieder«, sagte die andere. »Noch vor ein paar Tagen warst du die fröhlichste von uns allen. Du konntest dich kaum am Panorama der Stadt sattsehen. Heute bist du ein Schatten deiner selbst, ein junges Mädchen mit traurigen Augen, das die Last der Welt auf seinen Schultern zu tragen scheint.«
    Das schon graue Haar Alakis umrahmte ihr von Falten gezeichnetes Gesicht. Sollte sie von den Korallenschlangen verschont bleiben, würde sie bald in den Kreis der Matrionen aufgenommen werden. Diese Frauen waren ehemalige Reinigerinnen und kümmerten sich jetzt um den Unterricht und die Verwaltung des Klosters.
    Da Oniki schwieg, fragte die Ältere: »Also, was ist mit dir los?«
    Oniki senkte den Kopf, damit die Gruppenleiterin ihre Tränen nicht sehen konnte.
    »Du willst mir nicht antworten? Wie es dir beliebt … Du solltest aber wissen, dass traurige Reinigerinnen besonders häufig den Schlangen zum Opfer fallen. Die Natur eliminiert immer die Schwachen. Diese Reptilien erscheinen dir vielleicht als Monster, doch auf ihre Weise sorgen sie für Gerechtigkeit. Thutalinen, die körperlich und geistig gesund sind, werden von ihnen nie angegriffen … Hast du Probleme mit deiner Menstruation?«

    Oniki schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht solltest du für eine Weile keine thutalischen Kräuter essen … Vielleicht brauchst du Ruhe … Vielleicht solltest du für die klösterliche Gemeinschaft arbeiten …«
    »Nein!«, rief Oniki, Verzweiflung in der Stimme.
    »Wenn ich dich richtig verstehe«, sagte Alaki nach kurzem Schweigen, »liegt dir die Hausarbeit nicht besonders, und auch die Abgeschiedenheit unseres Lebens kannst du nur schwer ertragen. Der tägliche Aufenthalt in der Höhe beflügelt dich, du liebst das Streicheln des Stolzen Windes auf deinem Körper, das Licht und die himmlische Wärme … Auch mir wird meine Trunkenheit im Großen Wald der Orgeln fehlen …«
    Alaki lehnte am Brückengeländer, das Gesicht dem Korallenschild zugewandt. Nur noch zwei Monate konnte sie diese relative Freiheit genießen, ehe sie in den Kreis

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