Terra Mater
nicht gerade eben aufgefordert, an diesem gefährlichen Spiel teilzunehmen?
NEUNTES KAPITEL
Die Freie Weltraum City. Wie es heißt, sei sie im Jahr 2 des Ang-Imperiums gegründet worden. Aber alles deutet darauf hin, dass ihre Ursprünge viel weiter zurückreichen, in eine Zeit, wo sie nichts als eine Sternenwarte war. Ebenfalls historisch nicht belegbar ist die Hypothese, sie sei von drei ehemaligen Rittern der Absolution – drei Raskattas – errichtet worden, die dem Massaker in Houhatte entkommen seien und dort ihren kriminellen Aktivitäten hätten ungestraft nachgehen können.
Mit der Errichtung des Ang-Imperiums wurde sie zu einem Symbol der Freiheitund erlebte vom Jahr 4 bis zum Jahr 16 einen ungeahnten Aufschwung. Währenddessen wuchs ihre Einwohnerzahl von einigen Tausend auf über dreihunderttausend. Sie wurde von einem Verwaltungsrat regiert, dessen Mitglieder sich »Citadime« nannten. Überwacht wurde sie von hochsensiblen Automaten, die geringste Vibrationen registrierten, und geschützt war sie durch einen Magnetschild. Mittels der Motorenkraft unzähliger antiker Raumschiffe, aus der die Stadt bestand, konnte sie ihre Weltraumkoordinaten beliebig ändern.
Keinem Historiker ist es bisher gelungen, ihr plötzliches Verschwinden im Jahr 16 zu erklären. Es gibt Biographen Sri Lumpas, die in dem Untergang der Stadt eine Manifestation seines göttlichen Zorns sehen.
»Geschichte des Großen Ang-Imperiums« Unimentale Enzyklopädie
W ann kommt das Raumschiff denn endlich?«, fragte Marti de Kervaleur.
»Ach, die Ungeduld der Jugend!«, sagte Robin de Phart und seufzte. »Dieser alte Kasten gleicht den Dampfern der Vorgeschichte. Man weiß, wann sie ablegen, aber man weiß nie, wann sie ankommen. Gefällt es Ihnen in unserer schönen Weltraumstadt nicht?«, fragte der alte Syracuser resigniert.
Eine Frage, auf die sich jede Antwort erübrigte. Denn Robin de Pharts gesamtes Äußere, seine müden Augen, sein spärlicher Bart, seine ungepflegte Kleidung, das alles spiegelte seinen Seelenzustand wider.
Die beiden Syracuser trafen sich jeden Tag im selben Restaurant des Skoj-Viertels. Vor einer Tasse Kawee – einem heißen schwarzen Getränk – schlugen sie die Zeit mit Erinnerungen an ihren Planeten tot. Der junge Kervaleur hatte dann jedes Mal das Gefühl, in dieser geschlossenen und gefährlichen Welt etwas aufatmen zu können.
Vor zwei Standardmonaten hatte sich Marti nackt und blutüberströmt in der Empfangsschleuse der zellularen Transfers rematerialisiert. Ihm war nicht einmal die Zeit vergönnt gewesen, sich von den Nachwirkungen des Glosons zu erholen – diese durch eine Deremat-Reise hervorgerufene Indispostion –, schon hatten ihn die Greifarme eines Robotors umschlungen und zur Bewegungslosigkeit
verdammt. Dann hatten automatisierte Pinzetten Zellproben entnommen, und magnetische Resonanzsonden hatten sich wie ausgehungerte Geier auf ihn gestürzt. Der Roboter hatte ihm ein Schlafmittel injiziert. Er war eingeschlafen, und als er in einem großen Schlafsaal erwachte, war er mit einer langen gestreiften Tunika bekleidet gewesen.
In diesen Schlafsaal wurden die »Temporären« gesperrt, alle Individuen, die unter die Kategorie »zufällige Besucher«, »Geschäftsleute für den Außenhandel« und »prekäre Personen« fielen, deren Aufenthaltsstatus noch nicht gesichert war.
Die Citadime – der Verwaltungsrat der Stadt – hatten Marti über die Gründe seines Aufenthalts befragt. Bis auf einige Details – natürlich hatte er nicht über die Orgie der Mashama-Krieger gesprochen – hatte er die Wahrheit gesagt: dass er zu einer revolutionären Bewegung auf Syracusa gehöre, dass sie von einem Mitglied ihrer Gruppe verraten und von den Ordnungskräften zerschlagen worden seien. Und dass er in eine Deremat-Maschine habe fliehen können, als die Interlisten ihren geheimen Unterschlupf gestürmt hatten.
»Ein Deremat?«, hatte einer der Citadime erstaunt gefragt. »Ich dachte, alle Deremats würden von Staat und Kirche kontrolliert?«
»Zu unserer Gruppe gehörte der Sohn des Präsidenten des InTra. Er hat einen defekten Deremat aus einem Recycling-Hof geborgen und ihn repariert.«
»Es ist gefährlich, sich mitten in der Stadt zu rematerialisieren. Hättest du auch nur den geringsten Widerstand geleistet, die Roboter hätten dir sofort ein Arsenderivat injiziert und dich ins All geworfen. Warum warst du mit Blut beschmiert? Du hattest keine
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